Novembermond
freuen. Ganz vorsichtig holte ich aus, um den Beistelltisch zu erreichen. Als ich nach dem Telefonhörer griff, waren meine Finger noch steif, und mit einer ungelenken Bewegung warf ich das Telefon hinunter. Es landete mit einem lauten Krachen auf dem Boden, und der Hörer schepperte völlig außerhalb meiner Reichweite.
Von der Hüfte abwärts war ich noch immer ohne Gefühl. Trotzdem beugte ich mich über den Sofarand und versuchte es weiter, während mir Tränen lautlos über das Gesicht liefen.
Ich streckte die Hand aus und reckte mich, so weit ich konnte. Der Hörer blieb unerreichbar. Als ich ein leises Geräusch hinter mir hörte, drehte ich mühsam den Kopf. Gregor stand wie ein Schatten in der Tür und beobachtete mich. Er trug nichts außer einer alten Jeans, und der Blick seiner Augen traf mich mit voller Wucht. Ich schrie auf, verlor das Gleichgewicht und rutschte zu Boden. Gregor kam näher. Ich drehte mich auf den Bauch, stützte mich auf die Ellbogen und schleppte mich vorwärts, auch wenn das völlig nutzlos war. Ich hob den Kopf. Mein Blick streifte sein Gesicht, die funkelnden Augen, riss sich los und starrte auf seine nackten Füße. Ich durfte ihm nicht ins Gesicht sehen.
„Du hast meine Ruhe gestört.“
Ich wagte einen Blick nach oben. Gregor verschränkte langsam die Arme vor seiner nackten Brust.
„Du bist sehr, sehr ungezogen. Und erstaunlich kräftig. Wie hast du es geschafft, den Zauber aufzulösen?“
Er stand jetzt breitbeinig über mir, und obwohl sich mein Blick wieder an dem billigen Teppich festklammerte, spürte ich seinen wie ein unerbittliches Ziehen in meinem Kopf. Er wollte, dass ich ihn ansah. Aber noch spielte er mit mir.
„Was soll ich nur mit dir machen? Soll ich dich heute Nacht Martin überlassen? Oder als Kind annehmen? So dass du mein Geschöpf wirst und seine Schwester? Würdest du mir genau so gut dienen wie er?“ Er lachte. „Hassen würdest du mich noch viel mehr.“
Er ging in die Knie, griff nach meinem Haar, fasste mein Kinn und hielt mich fest. Dann zog er mich mit seinem Blick in sich hinein. Wo ich mit Julian Freude und Schmerz, Bilder und Erinnerungen an die, die ihm wichtig waren, geteilt hatte, befand sich bei Gregor nur eine endlose Abfolge von Gewalt und Lust am Schmerz unzähliger und namenloser Opfer.
Ich keuchte vor Abscheu, schaffte es endlich, die Augen zu schließen und mich loszureißen. Dann kroch ich weiter, weg von ihm, obwohl ich wusste, dass es sinnlos war, und er ließ es zu. Er ließ mich gewähren, wie ein Junge, der einen Käfer noch einige Male anstupst und über eine Tischplatte rennen lässt, bevor er des Spiels überdrüssig wird und ihn zerquetscht.
Wofür würde er sich entscheiden? Und wann?
„Du hast einen hübschen Hintern, Schätzchen. Und gleich gehört er mir.“
Ich spürte seinen Griff an meiner Taille, dann zog er meine Jogging-Hose hinunter. Ich hörte, wie sich ein Reißverschluss öffnete.
Ich war außer mir vor Angst. Das war der Moment, in dem der Held im Film ein abgebrochenes Stuhlbein findet und als Pflock benutzt. Aber es gab nichts, was ich als Waffe nutzen konnte. Ich schloss die Augen, versuchte meine Beine einzusetzen und nach ihm zu treten, und zog mich weiter. Meine Beine gehorchten noch nicht, meine Arme schmerzten. Ich hörte ihn lachen. Er griff nach meinen Beinen und drehte mich auf den Rücken.
„Sieh mich an.“
Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, mich rücklings wegzuziehen. Die kalten Fliesen der Küchenzeile lösten den Teppichboden ab, dann stieß ich mit den Schultern gegen einen Schrank. Ich öffnete die Augen. Gregor stand direkt vor mir.
„Nein.“ Ich versuchte, mich an dem Griff einer Schublade hochzuziehen. Sie brach heraus und krachte zu Boden, ich fiel hinterher, und das Besteck flog über den Küchenboden. Ich griff nach einem scharfen Küchenmesser.
Sofort spürte ich harte Finger, die mein Handgelenk umklammerten, ohne dass ich eine Bewegung wahrgenommen hatte. Ich schrie und ließ das Messer fallen.
Gregors Blick glühte, sein Lächeln verhieß Schmerz und Tod. „Allmählich kann ich Julian verstehen. Du bist wirklich amüsant.“
Er hielt mich am Handgelenk, ging neben mir auf die Knie, wieder spürte ich den Zug seines Blicks, wehrte mich verzweifelt, ihm nachzugeben. Ich sah das Bild, das er mir schickte, sah, wie er mich von hinten vergewaltigte, empfand brutale Schmerzen, Angst, Hilflosigkeit, seine Gier und das triumphierende Machtgefühl, das ich
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