Novembermond
so schnell und heftig atmen, wie er wollte, seine Lungen bis zum Äußersten füllen.
Sich spüren.
Richard nahm, was ihm der andere gab. Seinen nährenden und haltenden Körper. Seine Stimme, die ihn beruhigte, ermahnte und tröstete. Und natürlich sein Blut.
Nun fühlte er sich einfach großartig, so überwältigend gut, und er brannte darauf, seinen fantastischen Körper und seine unglaubliche Kraft zu erproben. Mann, so stark war er schon lange nicht mehr, eigentlich noch nie. Auch nicht damals, als er im Verein regelmäßig Handball spielte. Im letzten Jahr hatte er angefangen, seinen Körper zu vernachlässigen. Zu viel Bier, Schnaps, zu viele Drogen, Zigaretten und schlaflose Nächte. Na ja, wenigstens in dem Bereich würde sich nicht allzu viel ändern.
Er sah zu dem Mann, dem anderen … Vampir, Julian, wie er inzwischen wusste, der nackt vor dem Kamin kniete und sorgfältig Holz aufeinanderschichtete. Die Muskeln der Schultern und des Rückens lagen im Schatten, aber er konnte seinen Körper dennoch klar erkennen. Richard staunte. Die Nacht war stockdunkel. Aber die Welt unendlich reich an Farben.
Der Mann stand auf und schüttelte den Kopf. „Nicht so schnell, das ist nicht gut für dich. Lass dir Zeit. Du musst dich erst daran gewöhnen.“
„Gib mir, was ich will.“ Richard starrte auf Julians Hals und spürte den Druck seiner wunderbaren neuen Zähne. „Sonst hole ich es mir. Ich bin sowieso stärker als du!“ Er wusste, dass es sich wie eine Drohung anhörte. Aber das war ihm egal. Nein, verbesserte er sich. Er wollte, dass es sich wie eine Drohung anhörte. Sollte Julian ruhig versuchen, sich ihm zu widersetzen. Eigentlich hoffte er es sogar. Er brannte darauf, seine neuen und unglaublichen Kräfte endlich einzusetzen.
Er war stark und unbesiegbar.
Doch der andere lächelte nur. „Das haben schon viele geglaubt“, sagte er sanft.
Gut! Richard schnaubte.
Er schnellte Julian entgegen, um ihn niederzureißen, versuchte, seinen Oberkörper zu packen und den Hals mit seinem Mund zu erreichen. Um mehr, noch viel mehr von diesem verführerischen, warmen Blut zu bekommen.
Julian hatte regungslos abgewartet. Nun wirbelte er herum und wich dem Aufprall so schnell aus, dass Richard ins Straucheln geriet. Richard wurde aufs Bett geworfen und niedergedrückt. Es schien Julian überhaupt keine Anstrengung gekostet zu haben, ihn zu Fall zu bringen. Richard wehrte sich mit all seiner Wut und Kraft, aber er wehrte sich vergeblich.
„Ruhig, Richard. Nur ruhig Blut!“ Julians Mundwinkel hoben sich amüsiert, seine Augen glitzerten.
Die Leichtigkeit, mit der er besiegt wurde verdoppelte Richards Zorn und auch seine Anstrengung. Aber der Griff hielt ihn unbarmherzig und mühelos fest, nur der Druck des Körpers über ihm verlagerte sich. Er fing an, sich sachte auf ihm zu bewegen, vor und zurück, und fand einen neuen Rhythmus. Richard stöhnte und sog heftig den Atem ein. Die Berührung dieser festen, kühlen und nackten Haut erregte ihn, und seine Lust auf Blut wurde von einer anderen abgelöst, der er sich ganz langsam ergab. Die Hände lösten ihren harten Griff und begannen, gemächlich über seinen Körper zu wandern und ihn zu erregen. Richard seufzte zittrig, er gab nach, und sein Geist ließ sich willig wegtreiben, während sich seine Erregung stetig steigerte, in die größte Lust entlud, und endlich in einer süßen Entspannung verebbte.
Er gab sich Julian hin, wie er sich noch nie hingegeben hatte, keiner Frau und noch nie einem Mann.
Keinem Menschen.
Niemals.
Julian saß auf dem Bett. Die Nacht war warm, das geöffnete Fenster verschaffte dem hellen Mondlicht Einlass und ließ seine bleiche Haut schimmern wie Alabaster. Er schien etwas zu hören, was Richard nicht hören konnte und war in Gedanken weit weg.
Er sollte einfach nur mich lieben. Nur mich, begehrte Richard und fühlte den heißen Schmerz der Enttäuschung.
Er hatte ihn verloren. Wahrscheinlich hatte er ihn nicht einmal wirklich besessen. Nur eine Woche.
Es war ihre letzte gemeinsame Nacht. Richard wusste es, ohne dass Julian es aussprach. Sie redeten. Über alles Mögliche. Er stellte viele Fragen, und Julian beantwortete alle. Es gab nur ein Thema, das Richard vermied. Sie beide. Ihre … Beziehung.
„Wie wird es weitergehen?“, wagte er schließlich zu fragen.
„So, wie ich es dir gesagt habe. Wir gehen nach draußen, und du wirst andere Mitglieder der Gemeinschaft kennenlernen, die sich in nächster Zeit um
Weitere Kostenlose Bücher