Nr. 13: Thriller (German Edition)
seinen Hals hing, und polierte sie eins nach dem anderen. „Ich werde mir die Auffrischung bald holen.“
„Bald bedeutet: nie.“ Verächtlich schnaubte Beck. „Genieße deine Freiheit.“
Ben ahnte, dass Beck nicht von der Zeit nach der Entlassung aus der Haftanstalt sprach. Bildlich stellte er sich vor, wie sich die Medikamente, die die chemische Kastration verursachten, in Romans Körper abbauten und die Gefühle, die sie betäubt hatten, zu neuem Leben erwachten. Ihm wurde übel, denn er wusste, dass Roman nicht stark genug sein würde, um seinem krankhaften Drang zu trotzen, da er das vor der Depot-Therapie auch nicht geschafft hatte. Ben rückte ein Stück von ihm weg. Sein Puls raste, was das Denken nicht gerade einfacher machte.
„Das hat nichts mit Freiheit zu tun. Diese Sucht ist eine Geißel!“ Der Steg der Brille brach, da Roman die Gläser zu heftig poliert hatte. Fluchend warf er sie durch den Korridor. Er rieb sich die geschlossenen Lider und stöhnte.
Lässig lehnte sich Beck gegen die Wand. „Er hat dich betrogen, Kumpel, hat dir etwas vorgemacht.“
„Das hat er wohl.“
„Aber du willst ihn trotzdem noch, nicht wahr? Ich kenne dich zu gut. Mach mir nichts vor.“
Zögerlich gab Roman ein „Ja“ von sich, leise, fast verschämt.
„Dann bring ihn ins Lupanar. Dort wird er dir gehören, für immer.“
Roman achtete tunlichst darauf, so Benjamins Eindruck, ihn nicht anzugucken. Seine Kiefer mahlten. Er stieß mit seiner Schuhspitze immer wieder gegen eine Fußleiste, die locker war.
Das Geräusch trieb Benjamin in den Wahnsinn. Es klang wie ein Countdown, der immer schneller heruntertickte. Seine Zeit lief ab. Wenn er die beiden nicht mit einem Angriff überraschte, war er verloren.
„Benni wird alles das für dich sein, was du möchtest“, säuselte Beck verführerisch. „Der ungehorsame Schüler, der bestraft werden muss, der Straßenjunge, der eine Lektion in Homosexualität braucht – alles!“
Fassungslos lauschte Benjamin der Aufzählung. Er konnte kaum fassen, was hier geschah. Roman hatte sich und die anderen als völlig harmlos dargestellt, manchmal sogar als Opfer, wenn er über den Hass der Nachbarn sprach, doch nun fielen die Masken.
Leise und eindringlich sprach Beck weiter: „Zum Greifen nah.“
Nun wich Ben vor ihm zurück und kam daher Roman wieder näher. Er war von den beiden eingeschlossen. Im Flur gab es nur das Fenster über der Tür und das in der Hausmeisterloge, aber um das eine oder das andere zu erreichen, musste er an Beck vorbei.
„Und niemand wird es jemals erfahren“, zischelte dieser weiter.
„Das ist …“ Freiheitsentzug und Vergewaltigung, wollte Ben sagen, denn das Wort Mord brachte er nicht raus, aber dazu kam er nicht.
„Kein Kindesmissbrauch!“, fiel Beck ihm ins Wort. „Er ist volljährig, Roman. Trotzdem sieht er jünger aus. Knusprig. Mit einem jungfräulichen Hintern.“
Plötzlich sah Roman Benjamin unverwandt an. Sein Ton war scharf wie die Klinge eines frisch geschliffenen Jagdmessers. „Was wolltest du hier? Haben unsere ehrenwerten Nachbarn dich geschickt, damit du herumschnüffelst?“
Bens Kehle fühlte sich so eng an, als würde ein Strick darum liegen und zugezogen werden. Verzweifelt schüttelte er den Kopf. Ihm war heiß, aber die Luft um ihn herum wirkte frisch auf seinem schweißbedeckten rasierten Schädel.
„Hast du das, was ich dir anvertraut habe, an die Presse verkauft? Bist du hier, um dein Taschengeld aufzubessern, oder für ein kleines bisschen Ruhm, wenn du mit deinen Erlebnissen mit dem“, Roman zeichnete Anführungsstriche in die Luft, „ Bösen in der Nummer 13 an die Öffentlichkeit gehst?“
Krächzend brachte Ben ein „Nein“ heraus.
„Wolltest du dir die Freaks mal aus der Nähe anschauen?“
„Wirklich nicht.“
„Was war es denn? Weshalb hast du dich hier eingeschlichen, Kobo… Benjamin?“
Fest presste Ben die Lippen aufeinander. Wenn er jetzt zugab, dass er hier war, um der Polizei zu helfen, war er so tot wie die rothaarige Frau, die in diesem Haus ermordet worden sein sollte.
„Ich war völlig offen zu dir, hab immer die Wahrheit gesagt und mein Herz auf der Zunge getragen. Und was hast du gemacht? Du hast mich von Anfang an hintergangen.“ Roman machte einen Schritt auf ihn zu. „Hast dich wahrscheinlich noch lustig über mich gemacht.“
„Wir sollten ihn durchsuchen. Er könnte eine Kamera dabeihaben oder ein Aufnahmegerät. Sein Handy müssen wir auch
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