Nr. 13: Thriller (German Edition)
Fall. Ich hasse diesen ganzen Chemiekram! Er macht den Körper nur noch mehr kaputt. Aber ohne geht es noch nicht. Also versuche ich durchzuhalten. Irgendwann wird es schon besser werden.“ Haas warf den Latexhandschuh, der auf seiner Bettdecke lag, auf den Beistelltisch. „Den soll ich regelmäßig aufblasen. Tut höllisch weh!“
Da Daniel zu schwitzen anfing, zog er seine Jacke aus und legte sie quer über seinen Schoß. Die Fenster waren geschlossen und der Regler der Heizung stand auf Maximum. „Sie sind zäher, als Sie wirken.“
„Was meinen Sie damit?“
„Bei unserer ersten Begegnung waren Sie recht scheu. Ich hätte Sie als fragil eingeschätzt.“ Und weinerlich. Aber nun hatte Daniel einen Mann vor sich, der gebildet sprach und ihm direkt in die Augen sah. Er hatte Haas unterschätzt.
„Worauf spielen Sie an, Kommissar Zucker?“
Daniel ließ ihn zappeln, damit er nervös wurde und sich verplapperte oder im Laufe der Befragung bestenfalls zusammenbrach und gestand. Und er hatte Erfolg.
Unruhig verlagerte Stefan Haas zuerst sein Gewicht auf die Seite. Er verzog sein Gesicht, versuchte sich hochzudrücken, aber das schien ihm noch mehr wehzutun, sodass er am Ende wieder so lag wie zuvor. „Vergeuden wir keine Zeit, sondern sprechen Sie es frei aus.“
„Wie kam es dazu, dass Sie von einem Auto erfasst wurden?“
„Die Kreuzung war dunkel.“
„Ich begreife das nicht.“
„Die Straßenlaternen brannten nicht. Es muss einen Defekt gegeben haben.“
Jugendliche hatten sich einen Spaß daraus gemacht, sie zu löschen, indem sie dagegentraten, aber das erwähnte Daniel nicht, denn es war unwichtig. „Unbedarfte Kinder laufen vor Fahrzeuge, ebenso ältere Menschen, bei denen Gehör und Sehkraft nachlassen, aber doch keine Männer unter 40.“
„Tut mir leid.“ Mit verzerrter Miene rieb Stefan Haas über sein Schlafanzugoberteil, unter dem eine Bandage hervorlugte. „So trug es sich nun mal zu. Ich war müde und wollte schleunigst ins Bett.“
Daniel erinnerte sich, dass er um halb elf nachts an der Unfallstelle eingetroffen war und aufgrund seines Bocks länger gebraucht hatte. Zu dem Zeitpunkt war Haas schon auf dem Weg in die Uniklinik gewesen. Das Unglück musste sich zwischen neun und halb zehn ereignet haben. „So spät war es doch noch gar nicht.“
„Ich gehe früh schlafen und stehe früh auf.“
„Sie liefen aber über “, das letzte Wort betonte Daniel, „die Bruchstraße. Hätten Sie zur Nummer 13 gewollt, hätten Sie nach links abbiegen müssen.“
Die Finger von Stefan Haas’ linker Hand hatte man nicht bandagiert. Sie krallten sich nun in die Bettdecke und hielten sich krampfhaft fest, als befürchtete er, Daniel könnte sie ihm wegziehen. „Wie gesagt, ich konnte meine Augen kaum aufhalten, dazu die Finsternis.“
„In einer Großstadt wie Köln ist es nie wirklich dunkel.“
„Ich brauche schon seit Längerem eine Brille, aber ich habe andere Probleme.“
Das klang für Daniel wie eine lahme Ausrede und ließ sich durch eine Augenuntersuchung oder das Gespräch mit seinem Augenarzt leicht verifizieren oder widerlegen. „Ach ja, welche denn?“
„Aggressive Anwohner, Geldnot, spekulative Verdächtigungen …“
„Sind Sie vor einem Nachbarn geflohen?“, fragte Daniel, stützte sich auf seinen Knien ab, ohne die Berührung an den Beinen zu spüren, und neigte sich vor. „Ist es so zu der Kollision mit dem Wagen gekommen?“
Haas’ Zehen unter der Decke waren in ständiger Bewegung. „Ich bin nicht weg … da war niemand hinter … wie kommen Sie nur darauf?“
Wieso wurde er nervös? Umso gelassener lehnte sich Daniel zurück. „Es gibt einen Zeugen, der jemanden gesehen haben will, der Ihnen auf den Fersen war.“
„Das muss Zufall sein.“ Stefan Haas wurde weiß wie die Wand hinter ihm, wodurch die Kratzer auf seiner rechten Gesichtshälfte stark hervortraten. „Wahrscheinlich ging nur irgendjemand hinter mir und Ihr Zeuge zog falsche Schlüsse.“
„Weshalb sind Sie dann weggerannt?“
„Bin ich nicht.“
„Sie sind gelaufen.“
„Es war kalt. Ich bin lediglich schnell gegangen.“
Lässig legte Daniel den Arm über die Rückenlehne. „Warum haben Sie die Bruchstraße 13 nicht durch den Hintereingang betreten? Sie kamen doch an der Parallelstraße vorbei, an der die Rückseite des Gebäudes liegt.“ Und an dem Eckkiosk mit Gloria und Theo.
Stefan Haas öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder, ohne einen Ton von sich gegeben
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