Nr. 13: Thriller (German Edition)
tun?“
„Jemand hat die beiden in seine Gewalt gebracht und eine Autoexplosion fingiert, bei der sie angeblich bis zur Unkenntlichkeit verbrannten.“ Er wollte sich nicht vorstellen, was für eine Tortur sie seitdem durchlebt hatten. Aus irgendeinem Grund hatte der Kidnapper Verena dann doch umgebracht, in der Bruchstraße 13. Vielleicht weil sie zu aufsässig war. Möglicherweise hatte ihre Selbstsicherheit sie am Ende das Leben gekostet.
Und Noel? Was war mit ihm in der Zeit nach seinem vorgetäuschten Tod geschehen? Die Chancen, dass sie ihn lebend fanden, standen Daniels Einschätzung nach gut, denn Gloria hatte ihn erst kürzlich recht munter gesehen, bevor Stefan Haas vor ein Auto lief. Aber wo hielt er sich jetzt auf? „Ich habe gerade einen Einsatz. Sobald ich hier fertig bin …“
„Ich werde eine nationale Personenfahndung des vermissten Noel Haas beantragen und Foto und Steckbrief für Sie an die Presse weiterleiten. Sie übernehmen, sobald Sie können. Deal?“
Daniel bekam ein schlechtes Gewissen. Es gab gleich zwei Brandherde, die sofortiges Handeln erforderten, und er konnte sich nun einmal nicht zweiteilen. Er am allerwenigsten, der ohnehin nicht voll funktionstüchtig war. Oben lebendig und unten nahezu tot. „Wie kann ich das jemals wiedergutmachen?“
„Ich würde mich mit einem Abendessen bestechen lassen.“
Daniel tat so, als würde er etwas im Handschuhfach suchen, damit Marie nicht mitbekam, dass ihm das Blut in die Wangen stieg. „Ja, das machen wir so“, erwiderte er verlegen und in möglichst neutralem Tonfall. Die Staatsanwältin hatte ihn kalt erwischt. Mit ihrem Vorschlag hatte er nicht gerechnet. Was sollte er davon halten? Er wusste es nicht.
Überstürzt beendete er das Telefonat, indem er darauf hinwies, dass er dringend am Tatort erwartet wurde. Seiner Einschätzung nach hatte ein Wettlauf mit der Zeit begonnen. Beck und Engel würden wohl kaum vor Ort bleiben und artig auf ihre Verhaftung warten. Eilig hob er seinen Chopper aus dem Auto.
Marie übernahm den Rollstuhl, klappte ihn auf und stellte ihn in die richtige Position.
„Ich kann …“ das alleine , hatte Daniel sagen wollen.
Doch sie kam ihm zuvor. „Auch mal Hilfe annehmen“, beendete sie seinen Satz.
Murrend schwang er sich in seinen Bock, schwieg jedoch, weil jetzt nicht der richtige Moment war, um Grundsatzdiskussionen über Eigenständigkeit und Selbstwertgefühl zu führen. Sie meinte es ja nur gut.
„Der Notarzt entfernt gerade die Scherben aus Bens Körper.“
„Wie geht es ihm?“
„Er hält sich tapfer.“
Gerade als Daniel die Autotür zuwarf, schaute einer der Ersthelfer aus dem Krankenwagen und rief Marie zu: „Wir sind fertig.“
„Ich fahre mit ihm ins Krankenhaus“, teilte Marie Daniel mit.
„Hast du Bens Eltern informiert?“
„Heide und Hajo kommen direkt ins Spital.“ Sie drückte seine Schulter – etwas zu kumpelhaft für Daniels Geschmack – und wollte los.
Spontan hielt er sie zurück. Er zog Marie am Handgelenk zu sich nach unten und küsste sie auf den Mund. In der Öffentlichkeit. Ohne jegliches Schamgefühl wegen des Größenunterschieds.
Überrascht sah sie auf ihn hinunter. Dann lächelte sie so herzlich wie schon lange nicht mehr, rannte zum Rettungsfahrzeug und stieg ein.
Ein bisschen zu machohaft, aber es ist ein Anfang, dachte Daniel zufrieden und spürte plötzlich die Winterkälte gar nicht mehr, obwohl seine Jacke offen stand.
Er zog seine Schiebermütze auf. Mühsam bugsierte er seinen Rolli durch den Pulverschnee. An diesem Nachmittag wollte es gar nicht mehr aufhören zu schneien. Seine Räder drohten immer wieder stecken zu bleiben. Er musste viel Kraft aufwenden, um zum Hintereingang der Nummer 13 zu gelangen.
Von irgendwoher schallte Tim Bendzko zu Daniel herüber. Er schaute sich nach der Quelle um, fand sie jedoch nicht. Dafür fiel ihm auf, dass sich in der Nachbarschaft die Gaffer die Nasen an den Scheiben platt drückten und mit unverhohlener Neugier die Schutzpolizisten, die den Tatort sicherten, beobachteten. Der Kollege, mit dem sich Daniel vor der Mikwe gekabbelt hatte, war auch wieder dabei. Er grüßte ihn, worauf dieser das Absperrband anhob, damit Daniel darunter hindurchfahren konnte.
Der Schnee auf den Efeuranken sah aus wie Zuckerguss. Er türmte sich in den Regenrinnen und auf den Fensterbänken. Frost glitzerte auf den Mülltonnen. Obwohl der Tatort abgesperrt war, war die Schneedecke hinter dem Flatterband mit
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