Nr. 13: Thriller (German Edition)
Fußspuren übersät. Nun kamen auch noch dünne Reifenspuren hinzu. Es wimmelte von Polizisten.
Daniel wusste ja, dass er nicht der Erste am Tatort sein würde. Aber, und ihm war klar, wie kindisch das war, er hatte gehofft, Uwe Beck und Michael Engel wenigstens mit einem echt fiesen Grinsen die Handschellen anlegen zu können. Dass sie Ben verletzt hatten, nahm Daniel persönlich. Doch sein Wunsch würde sich wohl kaum erfüllen. Dafür kam er mal wieder zu spät. Diesmal traf allerdings seinen Rolli keine Schuld, sondern Lioba Zur. Hatte sie mit ihm geflirtet oder interpretierte er zu viel in ihren Vorschlag hinein?
Vor dem Hinterausgang hielt er an. Er betrachtete das zerbrochene Fenster, die Furche im Schnee, dort, wo Benjamin sich abgerollt hatte, und die Glassplitter, die auf dem freigelegten Asphalt verteilt lagen. Daniel malte sich aus, wie Ben voller Verzweiflung durch die Scheibe gesprungen war. Mutig. Verrückt. In Todesangst.
Wütend schob Daniel seinen Bock an. „Wo sind diese Schweine?“
42. KAPITEL
Aufgepeitscht durch seinen Zorn, überwand er die Eingangsstufe mit Leichtigkeit. Fast prallte er mit Leander zusammen, der gerade aus einem kleinen Raum neben der Tür in den dunklen Korridor trat.
„Hast du Benjamin noch einmal gesprochen?“ Leander spähte auf den Hof hinaus, als könnte er den Krankenwagen mit ihm dort draußen sehen.
„Ich wurde aufgehalten. Die Staatsanwältin rief an und teilte mir die Autopsieergebnisse der exhumierten Leichen mit.“ Daniel fasste das Gespräch kurz zusammen.
„Noel lebt. Irgendwo. Gute Neuigkeiten.“
„Wir müssen Stefan Haas bewachen lassen.“
Leander nickte. „Ein Kollege ist schon unterwegs in die Uniklinik.“
„Hoffentlich jemand, der fähiger ist als derjenige, der sich von Engel hat austricksen lassen.“
„Der schämt sich in Grund und Boden. Aber sein Vater ist letzte Woche gestorben. Durch den Todesfall ist er noch immer durch den Wind, wollte sich aber nicht krankschreiben lassen oder Urlaub einreichen, weil er hoffte, dass die Arbeit ihn von der Trauer ablenkt.“
„Die Trauer hat ihn wohl eher von der Arbeit abgelenkt.“ Bei allem Verständnis, das Daniel für dessen Kummer aufbrachte, er hätte vielleicht den Mord an Roman Schäfer verhindern können.
„Nachdem das Mittagessen im Krankenhaus serviert wurde und er merkte, dass Engel ausgeflogen war, alarmierte er sofort seinen Vorgesetzten und fuhr hierher.“ Leander machte eine ausladende Geste, zückte seinen Notizblock und berichtete, was er erfahren hatte. „Er klingelte lange und stürmisch an der Haustür, aber niemand öffnete ihm. Schließlich forderte er Verstärkung an, um gewaltsam einzudringen, da der dringende Verdacht bestand, dass der Flüchtige sich in seiner Wohnung verschanzt hatte. Ein Nachbar erzählte ihm, dass auf der Hinterseite des Gebäudes ein Fenster kaputt wäre und er dort einsteigen könnte. So fand er Roman Schäfer, der hatte noch einen schwachen Puls. Daher schätze ich, dass er Benjamin nur knapp verpasst hat.“
Daniel raufte sich die Haare. Wäre der Kollege nur etwas früher gekommen, hätte er Ben beistehen können. „Schäfer?“
„Als der Notarzt eintraf, war er bereits verstorben.“
„Wo sind Beck und Engel?“ Daniel presste seine Kiefer so fest aufeinander, dass es wehtat. Er war kurz davor zu explodieren. Am liebsten würde er den beiden eine runterhauen, aber dann wäre er nicht besser als sie. Stattdessen würde er sie mit einer tiefen Genugtuung festnehmen und ihnen haarklein erzählen, was für ein Spießrutenlauf sie im Gerichtssaal und in der Haft erwartete.
Etwas veränderte sich an Leanders Haltung. Sein Mund bewegte sich, ohne dass Worte herauskamen, vielleicht musste er sich erst die Sätze zurechtlegen. Wie merkwürdig, dachte Daniel. Leander machte einen konsternierten Eindruck und erinnerte ihn in diesem Moment an Stan Laurel aus den Schwarz-Weiß-Filmen der Laurel und Hardy -Reihe.
Er drehte sich zur Seite, als hätte ihm jemand auf die Schulter getippt, doch da war niemand. Vielleicht hatte er auch gehört, wie Tomasz Nowak durch den Vordereingang das Haus betrat. Daniel bemerkte diesen erst, da sich Leander ihm zuwandte.
Tom stapfte durch den Korridor zu ihnen. Die schlechte Laune stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er sah aus wie ausgekotzt. Die Schatten unter seinen Augen waren noch dunkler geworden. Seine Bartstoppeln ließen ihn ungepflegt erscheinen, ebenso wie sein zerknautschtes weiß-beiges
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