Nr. 13: Thriller (German Edition)
Hausmeisterloge. Verdattert, mit offenen Mündern und aufgerissenen Augen gafften Beck und Engel zu ihm herüber. Ben empfand keinen Triumph, nicht einmal Erleichterung, nur Schmerz, der sich langsam wieder in sein Bewusstsein stahl.
Am Ende seiner Kräfte humpelte Benjamin eilig in Richtung Kreuzung. Er hatte das Gefühl, wenn er anhielt, würde er nicht mehr die Energie aufbringen können, um weiterzugehen.
Tausend Gedanken kamen und gingen. Er konnte keinen einzigen von ihnen fassen. Sie flackerten auf und erloschen sogleich. Wahrscheinlich war er sogar zu erschöpft zum Nachdenken.
Erst als er sich fragte, warum Uwe Beck am Anfang versucht hatte, ihn von der Wohngemeinschaft der Pädophilen fernzuhalten, dann jedoch eine Hundertachtzig-Grad-Wendung gemacht hatte und ihn gefangen nehmen und später sogar töten wollte, konnte er sich durch Grübeln von den Schmerzen ablenken.
Becks Verhalten war merkwürdig. Unlogisch. Etwas stimmte nicht mit ihm. Mit allen, die in der Bruchstraße 13 wohnten. Roman Schäfer eingeschlossen, denn er schien gewusst zu haben, wovon Beck sprach.
Ben fiel nur eine Erklärung ein. Beck hatte etwas zu verheimlichen. Sie alle.
Das Lupanar!
Was hatte Roman Beck noch gleich vorgeworfen? „Du gefährdest das ganze Resozialisierungsprojekt. Das tust du schon die ganze Zeit mit deinem … eurem Lupanar .“
„Unserem Lupanar“ , hatte Beck höhnisch erwidert. „Behaupte nicht, du wärst nicht interessiert. Du warst heimlich dort unten und hast es dir angeschaut. Ich hab das mitgekriegt.“
„Gut, ich gebe es zu, aber ich war schockiert!“
„Du hattest einen Ständer.“
„Hatte ich nicht“ , hatte Roman scharf protestiert, war aber errötet.
Schnee knirschte unter Benjamins Schuhsohlen. Schwerfällig schleppte er sich vorwärts durch einen weißen Vorhang aus großen schweren Flocken. Er spürte keine Kälte, nur Schmerz und Fassungslosigkeit über das, was er soeben durchgemacht hatte. Der grausame Anblick von Romans zerschmettertem Gesicht hatte sich auf seine Netzhaut gebrannt.
Als er endlich im Kiosk ankam, rief er Entsetzen bei der fülligen Verkäuferin – oder war es ein Mann in Frauenkleidung? –, die hinter der Verkaufstheke auf einem Hocker oder etwas Ähnlichem saß, hervor. Aber sie erhob sich nicht, sondern schlug lediglich die Hand vor ihren Mund.
Bens Zähne klapperten so sehr, dass er eine Weile brauchte, um sie zu fragen, ob er ihr Telefon benutzen dürfte. „Weiß nicht, wo mein Handy ist.“
„Versuch’s mal mit deiner Gesäßtasche“, lallte der Mann in dem ockergelben Freizeitanzug, der an einem der Stehtische stand und sich an einer Bierflasche festhielt. Trotz des Schneefalls trug er Outdoor-Sandalen und graue Socken.
Irritiert tastete Ben nach seinem Smartphone. Einen Moment lang kam er sich unendlich dumm vor. In der Nummer 13 hätte er einfach selbst die Polizei rufen können. Doch dazu hätte er gar nicht die Zeit gehabt. Das Handy hätte ihm nichts geholfen.
Da die Verkäuferin ihm schon ihr Telefon hinhielt, nahm er es auch. Als er es jedoch in seinen Händen hielt, vertippte er sich ständig, da er stark zitterte.
Die Frau übernahm das für ihn. „Wen soll ich anrufen? Oh, Kommissar Zucker! Den kenne ich. Von dem möchte ich auch mal verhaftet werden.“
Benjamin verstand nicht, was sie damit meinte. Plötzlich wusste er nicht mehr, wo er sich befand. Warum er blutete. Und weinte. Und höllische Schmerzen in der Wade hatte. Eine bleierne Müdigkeit legte sich über ihn. Eine starke Kraft zog ihn zu Boden. Er konnte sich nicht dagegen wehren.
Erschöpft brach er zusammen.
41. KAPITEL
„Wir beide brauchen ein portables Blaulicht“, sagte Daniel zu seinem behindertengerecht umgebauten Privatwagen und sich selbst, als er durch Ehrenfeld raste. Prüfend schaute er in den Rückspiegel, dann auf die Gegenfahrbahn und zog in einer großen Lücke zwischen zwei entgegenkommenden Autos auf die andere Seite rüber. „Und ein Martinshorn.“
Wie ein Verkehrsrowdy war er durch die Stadt gerast. Er hatte am Telefon nicht viel von Benjamin erfahren können. Just als Gloria ihn in der Leitung hatte, war Ben sogar erschöpft zusammengebrochen. Aber Theo, der sich wieder im Kiosk aufhielt, hatte ihm Cola eingeflößt und einen Lappen, in dem Eiswürfel eingewickelt waren, in den Nacken gelegt, was geholfen hatte. Am Ende hatte Daniel doch noch mit Ben sprechen können. Das, was er zu berichten gehabt hatte, war einfach unfassbar
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