Nr. 13: Thriller (German Edition)
Hemd. Die braune Lederjacke hatte vorne ein Brandloch. Tom, der sonst stets auf sein Äußeres achtete, stank nach kaltem Zigarettenrauch, was Daniel vermuten ließ, dass er das Hemd länger nicht gewaschen hatte, und er hatte zu allem Übel versucht, den Gestank mit einem herben Männerparfüm zu überdecken. Die Mischung war widerlich.
„Wo warst du?“, fragte Leander und musterte seinen Kollegen mit gerümpfter Nase. „Ich habe dich auf dem Handy nicht erreicht. Zu Hause auch nicht.“
„Ich wohne … ich bin hier, was willst du noch?“ Ungehalten breitete Tom seine Arme aus und schlug beinahe Daniel versehentlich ins Gesicht. „Sorry, Mann.“
„Ist nicht leicht zurzeit, was?“ Daniel bemerkte Toms gerötete Augen und ahnte, dass das Lospoltern nur eine Schutzreaktion war.
Offenbar durchschaute Leander dieses Schauspiel nicht. Er steckte seine Notizen wieder weg. „Anscheinend hast du meine SMS gelesen.“
„So wird es wohl sein.“ Tom schnaubte. „Sonst wäre ich wohl nicht hier.“
„Aber dann funktioniert dein Mobiltelefon doch. Warum bist du dann nicht rangegangen, als ich anrief?“
„Musst du immer den Ermittler raushängen lassen?“
„Lass es gut sein, Leander.“ Daniel hegte eine Ahnung, was passiert war, und es hatte nichts mit dem Job zu tun.
Er bereitete sich auf einen hässlichen Anblick vor und fuhr mit seinem Bock in das Zimmer. Eiskalte Luft wehte durch das kaputte Fenster herein. Sie milderte etwas den Gestank von Blut, rohem Fleisch und Tod. Schneeflocken stoben bis zu Roman Schäfers Leiche. Obwohl Daniel von Ben erfahren hatte, dass Beck mit einem Gummihammer auf seinen Mitbewohner eingeschlagen hatte, war er nun, da er das Ergebnis sah, zutiefst schockiert. Sein Magen krampfte sich zusammen. Schäfers Gesichtszüge waren nicht mehr zu erkennen. In einer breiigen Masse aus blutigem Fleisch, Knochenstücken und Zähnen machte er vage die Augen aus. Der Schädel war zertrümmert, die Schultern unter dem Hemd wirkten deformiert. Einige Finger waren gebrochen und standen unnatürlich ab, vermutlich weil er versucht hatte, die Hiebe abzuwehren. In Beck hatte sich offensichtlich ein regelrechter Hass auf Schäfer angestaut, der sich in der Tat entladen hatte.
Daniel empfand den Raum plötzlich als zu eng. Er musste raus! Denn er stellte sich unweigerlich vor, dass Benjamin jetzt neben Schäfer liegen könnte, ebenso grausam zugerichtet, wäre er nicht mit einem waghalsigen Sprung durch die Scheibe geflüchtet. Betont gelassen, um sich keine Blöße zu geben, fuhr er in den Korridor. „Jetzt haben wir den Beweis, dass Beck seine Gewaltfantasien nicht länger nur an Kindern auslebt.“
„Du meinst, er könnte hinter dem Verschwinden von Verena und Noel Haas stecken?“ Während Leander seine Handflächen aneinanderrieb, wärmte er sie zusätzlich mit seinem Atem.
„Und Verena umgebracht haben, ja.“
Tomasz schob sich eine Zigarette in den Mundwinkel, zerknüllte die leere Packung und stockte. Anscheinend erinnerte er sich daran, dass dies ein Tatort war und Rauchverbot galt, und schaute betreten auf die zusammengedrückte Verpackung, denn die Fluppe konnte er nun nicht mehr zurücktun. „Aber du hast keine Beweise.“
„Er stand auf meiner Verdächtigenliste ganz unten. Ich wollte ihn nur an die Spitze schieben.“ Plötzlich erinnerte sich Daniel an ein Detail. Er legte ein weiteres Puzzleteil an seinen Platz. „Die Forensiker hatten doch auf der Mönchskutte … oder dem Obi-Wan-Kenobi-Kostüm – was auch immer man darin sehen will – neben den Spuren von Michael Engel und Petra Schumann noch die einer weiteren Person festgestellt.“
„Vielleicht von dem Vorbesitzer. Engel schwimmt nicht gerade in Geld.“ Der Nikotinlutscher wackelte hin und her, während Tom sprach. „Wahrscheinlich hat er den Kapuzenumhang gebraucht gekauft.“
„Oder ihn einem Freund ausgeliehen.“ Das war für Daniel am wahrscheinlichsten. Uwe Beck und Michael Engel schienen sich ja bestens zu verstehen und an einem Strang zu ziehen. Er vermutete sogar, dass Beck den labilen Engel manipuliert hatte, wie Michaels Vater das schon getan hatte. „Ich verwette meinen tauben Arsch darauf, dass die DNA der unbekannten Person auf dem Jedi-Kostüm mit der von Beck übereinstimmen wird. Er trug es, als er Verena Haas ermordete, wie Elisabeth Hamacher ausgesagt hatte.“
„Ich leiere das an.“ Tomasz hielt einen uniformierten Polizisten auf, der an ihnen vorbeiging, und erteilte ihm den
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