Nr. 13: Thriller (German Edition)
wahrscheinlich, dass er einlenken würde. Aber er wollte zu Marie. Er freute sich mehr darauf, Lioba Zur auszuführen, als es schicklich war, doch jetzt hätte ihn nichts davon abgehalten, nach Hause zu fahren. „Ich rufe Sie an, um einen Termin auszumachen.“
„Hört sich an wie ein Geschäftsessen.“
Ist es das denn nicht, um das Verhältnis zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft zu verbessern? Offenbar nicht. Daniel wurde abwechselnd heiß und kalt.
Zur band den Baumwollschal vorne zusammen, schritt durch den Ausgang hinaus ins Freie, gefolgt von Daniel, und steuerte den Parkplatz an. Ohne sich zu ihm umzudrehen, verabschiedete sie sich mit den Worten: „Sie melden sich ja doch nicht.“
„Lassen Sie sich von mir überraschen“, rief Daniel, der in die andere Richtung musste, aus einem spontanen Impuls heraus hinter ihr her. Er saugte seine Unterlippe ein und biss darauf, als wollte er seinen Mund dafür bestrafen, dass er ein Lächeln in seine Stimme gelegt hatte. Diese Frau verunsicherte ihn und er hatte keinen blassen Schimmer, nicht einmal eine Ahnung, ob das gut oder schlecht war.
Als er in seinem Wagen saß, spähte er am Klinikkomplex hinauf. Erst jetzt fiel ihm auf, dass das Betreten des Spitals das erste Mal keine negativen Assoziationen bei ihm heraufbeschworen hatte. Kein einziges Mal hatte er an seinen eigenen Leidensweg gedacht. Vielleicht weil Lioba Zur ihn abgelenkt hatte. Oder weil er hergekommen war, um Stefan Haas mitzuteilen, dass er rehabilitiert werden würde, und ihn mit seinem Sohn Noel zu vereinen.
Oder weil Dr. Bingen ihm nach seinem ersten Besuch an Haas’ Krankenbett Hoffnungen gemacht hatte, die er endlich Marie mitteilen wollte. Die Informationen konnten unter Umständen seine Ehe retten. Falls es nicht schon zu spät war.
48. KAPITEL
Als Daniel sie an diesem Abend gebeten hatte, ins Wohnzimmer zu kommen, weil er etwas mit ihr zu besprechen hätte, war Marie als erste Reaktion das Herz in die Hose gerutscht. Durch seine ernste Miene war ihr spontaner Gedanke, er könnte zu dem Schluss gekommen sein, dass sie in ihrer Lebensplanung nicht zusammenpassten. Nicht mehr, zumindest. Der Unfall, der ihn in den Rollstuhl brachte, hatte gravierendere Auswirkungen, als sie in den ersten Monaten hatte wahrhaben wollen. Die Langzeitwirkungen kamen erst jetzt zum Vorschein. Da sein letzter Fall Daniel sehr beansprucht hatte, hatten sie sich nur selten gesehen und Zeit zum Nachdenken gehabt.
Als sie jedoch zu ihm ging, sah sie, dass er ihr ein Glas Syrah eingeschenkt hatte. Er saß auf der Couch und stellte gerade seine Flasche Bier ab. Einladend legte er den Arm auf die Rückenlehne des Sofas. Da erinnerte sie sich daran, wie er sie, untypisch für ihn, in Ehrenfeld vor aller Augen zu sich hinuntergezogen und geküsst hatte.
Nein, sich eine Auszeit nehmen oder Schluss machen wollte er auf keinen Fall. Erleichtert nahm sie neben ihm Platz. Ein Brocken, so groß wie ein Felsmassiv, fiel von ihrem Herzen. Aus Nervosität fragte sie: „Und, hatte Vinzent Quast etwas mit dem Kinderbordell zu tun?“
„Er wusste nichts davon. Aber ich möchte jetzt nicht über die Arbeit sprechen.“
Marie nippte an ihrem Rotwein und hielt das Glas in der Hand, froh darüber, dass wenigstens eine Hand etwas zu tun hatte. Sie wusste selbst nicht, warum sie so aufgeregt war. Aus irgendeinem Grund sah sie Daniel an diesem Abend mit anderen Augen. Vielleicht lag es daran, dass er so entspannt schien wie selten. Als würden die Dämonen, die ihn seit dem Kletterunfall belasteten, endlich Ruhe geben. Möglicherweise genoss er auch nur die Aufklärung des letzten Falls.
Daniel schlang seine Finger in ihre. „Erinnerst du dich an Dr. Bingen aus der Uniklinik?“
„Der Urologe?“
„Ich habe mit ihm über unser Problem gesprochen.“ Geräuschvoll stellte Marie ihr Glas auf den Tisch, sodass er nicht weitersprach, sondern die Augenbrauen hochzog. „Wir können das Thema nicht ewig unter den Tisch kehren.“
„Lass mich erst …“
„Ich weiß, es geht dir unter die Haut, Marie, aber ich habe Neuigkeiten.“
„Bitte, Daniel, hör mir zu. Lass mich zuerst etwas loswerden, ja?“
Er knirschte mit den Zähnen. „In Ordnung.“
„Ich habe Tag und Nacht gegrübelt, bis ich Kopfschmerzen bekam. Ein paar Tränchen sind auch geflossen, das gebe ich zu. Aber dann habe ich mir vorgestellt, dich zu verlassen, um ein Leben zu führen, wie es sich jede Frau wünscht. Also dachte ich, ich müsste auch so
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