Nr. 13: Thriller (German Edition)
rosig. „Wie kommst du nur darauf?“
Er humpelte heran und ließ sich in den Sessel fallen. „Weil ich den einzigen Raum, der als Kinderzimmer infrage käme, in Beschlag nehme.“
„Red nicht solch einen Unsinn!“, sagte Daniel scharf und fuhr milder fort: „Wir haben dich gerne bei uns.“
„So gerne, dass ich bei euch wohnen bleiben darf?“ Ben schaute zwischen Marie und Daniel hin und her.
Marie schluckte das euphorische „Ja!“, das ihr auf der Zunge lag, hinunter und entschied sich für die Vernunft. Was nutzte es Heide und Hans-Joachim Mannteufel, wenn der Preis für das Kitten ihrer Ehe der Verlust ihres Sohnes wäre? „Deine Eltern werden traurig sein, wenn du nicht in ihr neues Haus einziehen wirst.“
„Ich weiß, Cousinchen.“
„Und trotzdem möchtest du es nicht?“
„Ich hab ihnen meine Entscheidung noch nicht mitgeteilt, weil ich euch erst fragen musste.“
„Liegt es daran, dass du nicht nach Rodenkirchen willst? Hier in der Südstadt ist natürlich mehr los und du bist mittendrin.“
„Das auch.“
„Aber?“ Ungeduldig zupfte Marie an den kupferfarbenen Pailletten auf ihrem braunen Pullover herum.
Daniel beugte sich vor und stützte sich mit den Ellbogen auf den Oberschenkeln ab. „Nun rück schon raus, was dich bedrückt!“
„Ich bin sauer auf sie! Das ist die Wahrheit.“ Obwohl Benjamin redete, knibbelte er an seiner Unterlippe, was seine Worte leicht verzerrte. „Seit der Sache mit GeoGod kümmern sie sich nur noch um sich. Alles, was für sie zählt, ist, dass sie glücklich sind. Aber was ist mit mir? Jetzt plötzlich erinnern sie sich wieder an mich. Ich komme mir vor wie ein Hund, der in Pflege gegeben wurde und jetzt nach Hause geholt werden soll. Keinen Bock, so zu tun, als wären wir eine intakte Familie! Einen Scheiß sind wir.“
„Es klingt, als hätten sie dich zu uns abgeschoben, doch das trifft nicht zu. Du hattest die Möglichkeit, mit ihnen bei meinen Eltern zu leben.“ Marie ignorierte Bens Schnauben, denn sie verstand ihn gut. Auch sie wollte eher unter einer Brücke schlafen, als zurück in den goldenen Käfig der Basts zu ziehen. „Außerdem ist es so – hätten Heide und Hajo nicht diese Intensivtherapie gemacht, wäre ihre Ehe wahrscheinlich gescheitert.“
„Stimmt schon.“ Benjamin zog die Weinflasche zu sich heran. Marie befürchtete schon, er wollte daraus trinken, um seinen Frust hinunterzuspülen, doch er drehte sie nur unentwegt zwischen den Händen. „Aber ich hatte auch meine Probleme. In der Schule werde ich ausgegrenzt, der Warnschussarrest war auch nicht gerade easy, und dass ich meine Zeit mit Ex-Knackis verbracht habe, wäre ihnen niemals aufgefallen.“
„Du denkst, sie interessieren sich nicht für dich, aber das ist falsch. Wie oft haben sie dich eingeladen, nach Rodenkirchen zu kommen, damit du siehst, wie weit sie mit den Renovierungsarbeiten sind. Und du hast ein eigenes Zimmer dort.“ Natürlich konnte Marie nachvollziehen, dass er eingeschnappt war, aber er sah nur seine Sicht der Dinge. „Manchmal brauchen Eltern eben Zeit für sich, denn sie sind nicht nur Väter und Mütter, sondern auch ein Liebespaar.“
„Sie haben mich alleine gelassen.“
„Das haben sie nicht. Sie wussten, dass du bei uns in guten Händen bist, dass wir dich lieb haben und uns um dich kümmern. Auch wenn wir anstrengende Jobs haben und nicht so oft zu Hause sind, wie wir es uns wünschen, so sind wir doch immer für dich als Ansprechpartner da.“
„Heißt das, ich darf bleiben?“
„So lange du möchtest“, sagte Daniel, ohne zu zögern. Da er kein Bier mehr hatte, nahm er das Weinglas und roch daran.
Mit dem Nagel versuchte Ben, das Etikett von der Flasche zu lösen. „Und ich kann mit euch über alles reden?“
Marie nickte. „Selbstverständlich.“
„Ich … ich denke … vielleicht … ach, Scheiße.“ Benjamin lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und starrte zwischen seinen gespreizten Beinen auf den Boden. „Ich glaube … ich … ich mag Männer.“
Daniel, der gerade getrunken hatte, spuckte den Syrah zurück ins Glas. Entschuldigend sah er Marie an. „Wein ist eben nicht wirklich meins.“
Marie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie kannte ihren Mann zu gut und wusste, was gerade in ihm vorging. Kerle sprachen nicht über intime Dinge. Sie gingen zusammen in eine Kneipe, zischten ein Kölsch oder, noch besser, mehrere und prosteten sich gegenseitig zu, um ihre
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