Nr. 13: Thriller (German Edition)
mit dem oberen Ende auf die Tischunterlage. „Nein, ich denke, dass er nicht vorhatte, so weit zu gehen. Er wollte schockieren, aber nicht über alle Maßen hinaus.“
„Meinst du, irgendwer macht da einen Unterschied?“ Ungeniert schnaubte Tom. „Die jüdische Gemeinde ist außer sich!“
„Aus dem Wasser eine Bouillabaisse aus Menschenfleisch zu machen ist aber noch ein anderes Kaliber. Es erzeugt nicht nur Abscheu“, Daniel warf seinen Kuli auf den Tisch, „sondern Hass!“
„Glaubst du wirklich, der Mörder schert sich darum?“ Schnalzend rieb er über sein braun-weiß kariertes Baumwollhemd. Seine Cowboystiefel mussten neu sein.
„Verdammt, ja, das tue ich. Ich glaube, dass er mit dem Deponieren der Leiche ein Zeichen setzen wollte. Wahrscheinlich eine Warnung an die jüdische Gemeinde oder jemanden daraus. Dabei durfte er nicht so weit gehen, dass er denjenigen gegen sich aufbrachte. Er wollte ihn einschüchtern.“ Erst jetzt, wo Daniel laut darüber nachdachte, fügte sich alles zusammen. „Aber Hass hätte eine Gegenreaktion hervorgerufen.“
„Schon möglich.“ Gähnend streckte sich Tom und ließ dann seine Finger knacken. „Zucker, du bist zu gebrauchen.“
Konzentriert hackte Leander seinen Report über ihren Einsatz in der Bruchstraße in den Computer. Ab und zu hörte er auf und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Eine tiefe Falte zeigte sich auf seiner Stirn. Er schien seine Kollegen kaum wahrzunehmen, dabei war das Büro zu klein für drei Kommissare.
Das Labor hatte erste Ergebnisse geschickt. Allein, dass sie so schnell kamen, ließ Daniel nichts Gutes erahnen.
Der weiße Strick, mit dem das Opfer gefesselt worden war, hatte sich als handelsübliches Polypropylenseil von acht Millimeter Durchmesser herausgestellt. Das konnte man in jedem Baumarkt und im Internet kaufen. Dadurch, dass es im Wasser gelegen hatte, waren alle Rückstände von DNA, Fasern, Pollen oder Ähnlichem, die möglicherweise daran gehaftet hatten, abgespült worden. Es würde eine Weile dauern, das gesamte Wasser im Becken abzupumpen und zu untersuchen. Die Chancen, Spuren, die zum Täter führen würden, zu finden, waren gering, aber vorhanden, da es keinen Ablauf gab.
Mit der flachen Hand wischte sich Daniel durchs Gesicht. Das Warten auf die Ergebnisse vom Labor und der Rechtsmedizin machte ihn jedes Mal kirre. Wenn sie doch nur schon einen Anhaltspunkt hätten, in welche Richtung sie ermitteln konnten. „Hat Justus schon die Befragung der beiden Gruppen abgetippt?“
„Er ist noch dran.“ Toms Stimme klang kratzig vor Müdigkeit.
Daniel versuchte näher an den Tisch heranzukommen, aber die Armlehnen seines Choppers hinderten ihn daran. Seit Wochen wartete er auf eine Platte mit Ausbuchtung, damit er sich nicht länger den Rücken kaputt machte, indem er ständig nach vorne gebeugt dasaß. „Warum dauert das so lange?“
„Weil es viele Personen sind. Nicht nur die Männer und Frauen, die Abuu Beti und Antonio Monticello – das sind die Kulturführer, die wir am Tatort angetroffen haben – im Schlepptau hatten, sondern auch die Gruppe davor.“ Tom musste sich räuspern, um weitersprechen zu können. „Aber in der Besprechung heute Morgen gab Justus uns schon alle Infos mündlich weiter. Der Guide, der kurz nach Eröffnung der Mikwe in der Früh dort gewesen war, sagte aus, dass sich ihnen ein Fremder mit einem Rollkoffer angeschlossen hätte.“
Daniels Augen weiteten sich. „Und das machte ihn nicht skeptisch?“
„Passiert wohl immer mal wieder.“ Tom zuckte mit den Achseln. „Das Praetorium hat nicht tausend Schlüssel für das Ritualbad, die es an jeden Besucher einzeln rausgeben kann. Da muss man sich arrangieren. Außerdem war die Gruppe sehr groß, ein Bus voller knipswütiger Amerikaner, die kaum zu bändigen waren. Einer wollte sogar über die Absperrung steigen und in die Ausgrabungsstätte der Synagoge gehen. Der Schäfer hatte alle Hände voll zu tun, seine Schafe beisammenzuhalten. Da war es ihm egal, dass der Fremde plötzlich weg war.“
„Wie meinst du das?“
Während Tomasz sprach, rieb er sich die Augen. „Als er zuschloss, sah er den Unbekannten nicht mehr. Also ging er davon aus, dass dieser schon gegangen war.“
„Lass mich raten.“ Daniels Finger schlossen sich um die Lehnen. „Er lag mit seiner Vermutung falsch.“
„Später kam dieser Monticello mit seinem Hühnerhaufen und schloss auf. Da stürmte der Mann mit dem Koffer laut schimpfend an ihm
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