Nr. 13: Thriller (German Edition)
Becks Grinsen war bitter. Er stand so gerade, als wäre er an ein unsichtbares Brett gefesselt.
Haas zupfte an Becks Sweatshirt, der trotz Kälte auf eine Jacke verzichtet hatte. „Hol Roman. Du musst Roman holen.“
„Ja doch.“ Unwirsch schüttelte Beck ihn ab. „Kommen Sie.“
Er ging an Daniel und Leander vorbei und zog eine Wolke herben Aftershaves hinter sich her. Seine Hand steckte in einer seiner Hosentaschen und musste dem Klacken nach mit zwei Münzen spielen. Daniel wertete das als Zeichen, dass er beunruhigter war, als er vorgab zu sein. Der Streusand knirschte unter Becks Schuhsohlen.
Plötzlich packte er die Griffe von Daniels Rollstuhl. Schneller, als dieser reagieren konnte, schob Uwe Beck ihn zur Haustür. Sie stand weit offen. Vor der einzelnen Stufe drückte er die Nackenstütze des Rollis nach unten, sodass Daniel hilflos wie ein Käfer auf dem Rücken lag oder vielmehr schwebte. Dann hievte er ihn über das Hindernis und schubste ihn ins Treppenhaus.
Wütend packte Daniel die Greifringe, sodass sein Chopper zum Stehen kam. Er flog herum. „Was sollte das, verdammt noch mal?“
„Ich wollte Ihnen nur behilflich sein.“ Beck rieb über die Aknenarben, die sein Gesicht zu einer Kraterlandschaft machten.
„Das hätte ich auch alleine gekonnt.“ Daniels Stimme hallte in dem alten Flur wider. Ihm war scheißegal, ob das ganze Haus … die gesamte Straße es mitbekam. Der Zorn wallte heiß durch seine Adern. „Wenn ich eins hasse, dann ist es, wie ein Krüppel behandelt zu werden!“
„Ich wollte wirklich nur helfen.“ Beck riss seine Arme hoch und schwenkte ein weißes Taschentuch. „Es ist immer wieder dasselbe. Egal, was wir Ex-Knastis tun, es wird falsch ausgelegt.“
Vorsichtig, wohl wissend, dass man Dynamit lieber nicht anfasste, legte Leander seine Hand auf Daniels Schulter. „Beruhige dich.“
Haas tauchte hinter ihm auf. Ängstlich prüfte er, was vor sich ging. Seine Augen waren wässrig braun wie Dünnpfiff. Er hielt den Eimer wie einen Schutzschild vor sich. Oder als wollte er Daniel mit einer Dusche abkühlen.
Daniel bekam ein schlechtes Gewissen. Er musste sich eingestehen, dass er Vorurteile gegenüber Kinderschändern hatte. An eine Therapierung glaubte er nicht. Aber weil ihre Sexualität fehlgeleitet war, mussten sie ja nicht durch und durch böse sein. Beck hatte einfach einen wunden Punkt bei ihm getroffen.
„Ich hole den Chef.“ Statt den Aufzug zu nehmen, wählte Uwe Beck die Treppe. Langsam stieg er Stufe für Stufe hoch, als würde die Anfeindung ihn belasten. Doch bevor er um die Ecke bog und außer Sicht war, warf er Daniel ein Lächeln zu, das er nicht zu deuten wusste.
Haas drückte sich an der Wand entlang an ihnen vorbei und verschwand irgendwo im ersten Obergeschoss. Wahrscheinlich wollte er weder mit den Protestierenden noch mit Daniel und Leander alleine sein.
„ Das ist ein Sadist“, nahm Daniel ihr Gespräch von vorhin wieder auf, bemüht darum, wieder normal zu atmen, aber es fiel ihm schwer. Er wurde nicht gerne vorgeführt.
„Uwe Beck?“
Daniel nickte und riss die Druckknöpfe seiner Jacke auf. Eben hatte er gefroren, nun kochte sein Blut. „Er steht auf Machtspielchen, zeigt aber nur Schwächeren gegenüber Eier – Mädchen, Jungen und, wie wir nun wissen, Menschen mit Behinderungen.“
„Vielleicht dachte er wirklich, du könntest die Eingangsstufe nicht überwinden.“
„Und Esel scheißen Dukaten“, spottete Daniel.
Akribisch säuberte Leander seine Schuhe auf der Matte am Eingang. „Dass er auf beide Geschlechter steht, ist ungewöhnlich.“
„Ihm geht es nur darum, dass es ein Kind ist. Die sind leichter zu manipulieren und einzuschüchtern als Erwachsene. In den Achtzigerjahren wurde er ein paar Mal dabei ertappt, wie er sich nackt auf einem Spielplatz zeigte. In den Neunzigern befingerte er einen vierjährigen Jungen. Danach blieb er lange Zeit unauffällig.“
„Was nichts heißt, wie wir wissen“, warf Leander ein und schloss die Haustür.
Im Treppenhaus wurde es düster, aber es blieb bitterkalt. Daniel vermutete, dass das selbst im Sommer der Fall war, und bekam eine Gänsehaut. Was hatte er erwartet? Jedenfalls nicht das, was er sah. Die Nummer 13 war ein Haus wie jedes andere in der Bruchstraße, nur renovierungsbedürftiger. Der Putz war so grau wie die Haut eines Greises und die hölzernen Fensterläden, die einmal weiß gestrahlt haben mussten, hatten das Gelb von Raucherfingern. Der Wind blies
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