Nr. 13: Thriller (German Edition)
seine gefütterte Jeansjacke. Wenn man müde war, fror man eben.
Das Klack! Klack! Klack! hörte auf. Leander schlang seine Finger ineinander, drehte die Handflächen nach außen und streckte seine Arme nach vorne. Nachdem er an seinem stillen Wasser genippt hatte, holte er eine Handcreme aus der obersten Schublade seines Untertischs und cremte sich die Hände ein.
Daniel konnte kaum glauben, was er sah. Der Pfirsichduft erinnerte ihn an die Salben, die Marie benutzte.
Bevor er jedoch einen markigen Spruch loslassen konnte, erhob sich Leander. Geschmeidig schob er mit den Beinen seinen Bürostuhl zurück. Die Rollen quietschen nicht einmal, wie an Tomasz’, als hätte er sie geölt. Zuzutrauen war es ihm. „Der Bericht liegt schon in deinem E-Mail-Postfach. Sobald du ihn abgesegnet hast, kriegt ihn EKHK Fuchs. Soll ich eine Runde Kaffee für uns drei holen?“
„Die perfekte Sekretärin.“ Daniel wettete, dass unter den Röhrenjeans sogar die langen, schlanken Beine einer Frau steckten.
„Was hast du in der Zeit getan, in der ich den Bericht geschrieben habe?“, fragte Leander scharf.
„Und genauso zickig.“ Zur Vorsicht fuhr Daniel seinen Rollstuhl etwas zurück, denn Leanders Miene verfinsterte sich.
Plötzlich schwang die Tür polternd auf. Sie schlug gegen die Wand, sodass Daniel und Leander erschraken. Nur Tomasz schien zu müde, um mehr Regung zu zeigen, als scharf einzuatmen.
Karsten Fuchs baute sich in der Tür auf. Er machte ein Gesicht, als hätte er Kopfschmerzen. Sein roter Schopf lichtete sich bereits vorne etwas und man konnte hie und da die Kopfhaut sehen. „Ihr wart doch heute Morgen in der Bruchstraße.“
„Bei Frau Hamacher, ja.“ Daniel drehte seinen Rolli zu seinem Vorgesetzten um.
Fuchs stemmte die Fäuste in die Hüften. „Sie ist tot.“
„Die alte Dame?“, fragte Daniel verwundert. Ihr schien es doch recht gut zu gehen.
Leander stellte sich neben ihn. „Woran ist sie gestorben?“
„Nicht die. Ihre Tochter. Und wenn ihr mich fragt“, Fuchs ließ seine Zunge über seine Backenzähne gleiten, als würde er sie nach Essensresten absuchen, „mir schmeckt die Sache nicht.“
10. KAPITEL
„Ist sie …?“
Fuchs nickte, bevor Daniel die Frage ausgesprochen hatte. „Ihr Wagen ging in Flammen auf. Sie konnte sich nicht mehr nach draußen retten.“
Das kam seltener vor, als die meisten glaubten. In Kriminalfilmen explodierten Autos allzu schnell, aber in der Realität war das nicht die Regel. Nachdenklich massierte Daniel seine Handgelenke, die vom Schieben des Choppers über die mit Schnee, Eis oder Streusand bedeckten Gehwege überlastet waren und wehtaten. „Gibt es schon erste Erkenntnisse, wie es dazu kam?“
„Die Bremsspuren besagen, dass sie viel zu schnell für die Wetterverhältnisse fuhr. Aus noch ungeklärter Ursache verlor sie die Kontrolle über ihr Fahrzeug.“ Während Fuchs erzählte, nahm er den Kugelschreiber, der in seiner Brusttasche steckte, und drückte immer wieder auf den Taster am oberen Ende. „Sie muss über die Brühler Landstraße gerast sein, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her gewesen.“
„Oder böse Geister“, murmelte Leander und warf Daniel einen vielsagenden Blick zu.
Mit dem Kuli kratzte sich Karsten Fuchs am Haaransatz. „Geister?“
„Ihre Mutter sprach davon. Sie fantasiert manchmal.“ Erst tippte Leander gegen seine Schläfe und dann auf den Bildschirm. „Ich habe den Bericht gerade fertig, aber ich muss ihn noch Korrektur lesen und Daniel ihn absegnen.“
„Wir haben zwei Uhr nachmittags. Er sollte mir längst vorliegen.“ Fuchs schnaubte. „Machen Sie keine Schönschreibübung daraus, Menzel.“
„Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen dem Unfall von Gitte Hamacher und den Hirngespinsten ihrer Mutter“, sagte Leander verschnupft. „Haben die Prostituierten auf dem Strich an der Brühler Landstraße nichts mitbekommen?“
„Die sind von Beruf aus blind und taub.“ Fuchs winkte ab. „Mich macht es immer skeptisch, wenn jemand, der einen Mord gemeldet hat, umkommt, unmittelbar nachdem er von der Polizei angehört wurde.“
„Elisabeth Hamacher will den Mord beobachtet haben“, korrigierte ihn Leander. „Aber die leidet an beginnender Demenz und gilt daher als unzuverlässige Quelle. Sie bildet sich ab und zu ein, etwas oder jemanden zu sehen, der gar nicht da ist.“
„Und wenn der Mord real war? Sie fantasiert ja nicht ständig“, gab Daniel zu bedenken. „Außerdem ist… war
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