Nr. 13: Thriller (German Edition)
und die Ränder seiner braunen Cordhose. Er beeilte sich sehr und achtete nicht darauf, dass er sich mit Lauge bespritzte, oder es war ihm schlichtweg egal. Um seine Brille hochzuschieben, kräuselte er jedes Mal seine Nase, statt einen Finger zu benutzen.
Daniel erkannte ihn von dem Foto in seiner Akte wieder. „Stefan Haas, 32 Jahre alt. Hat seinen damals dreijährigen Sohn missbraucht.“
„Irgendwelche Vorstrafen?“ Auch Leander wurde langsamer.
„Mit 19 wurde er in Polizeigewahrsam genommen. Er protestierte gegen Castortransporte. Als die Einsatzkräfte ihn wegtragen wollten, muss er sich brutal dagegen gewehrt haben.“
„Er sieht nicht gewalttätig aus.“
„Man kann den Menschen nur vor den Kopf gucken“, sagte Daniel, aber er musste Leander recht geben. Wenn er Haas so betrachtete, konnte er sich das gar nicht vorstellen. Das Lockenköpfchen wirkte wie ein gehetztes Kaninchen und nicht wie ein hitzköpfiger Stier.
Leander, dessen Stirn feucht glänzte, öffnete seinen Anorak, lockerte seinen Schal und ignorierte Daniels süffisantes Lächeln. „Kam er in den Knast?“
„Der Richter brummte ihm nur Sozialstunden auf.“ Nun, da Daniel nicht mehr über den Bürgersteig flog, schienen seine Rollstuhlräder am Untergrund zu kleben. Streusand blieb an ihnen haften und machte das Fortbewegen schwer und Daniels Handschuhe schmutzig. „Vor seiner Inhaftierung arbeitete er als Bilanzbuchhalter in einem Steuerberaterbüro.“
„Der kleine Mann, der im Job buckelt und im Privaten den dominanten Macho mimt?“
„Glaube ich nicht. Das ist typisch für Sadisten, aber er ist pädophil. Seine Frau trennte sich von ihm, als ihr Sohn Noel drei Jahre alt war.“
„Weil sie ihn dabei erwischte, wie er den Kleinen anfasste?“
„Vermutlich tat er es zu diesem Zeitpunkt schon, aber sie bekam es nicht mit. Haas bekam Besuchsrecht alle 14 Tage. Einmal, als sie den Jungen von seinem Wochenende beim Vater abholte, erwischte sie die beiden gemeinsam nackt in der Badewanne. Sie war außer sich!“ Als Daniel seine Handflächen aneinanderrieb, um den Sand loszuwerden, blieb sein Chopper beinahe stehen, aber er gab sofort wieder Gummi. „Noel sagte aus, dass er oft nackt bei Daddy herumlief und Daddy selbst auch. Als die Kollegen ihn später darauf ansprachen, meinte Haas, das wäre doch normal in einer Familie.“
„Das kann aber noch nicht alles gewesen sein“, mutmaßte Leander. „Für eine Inhaftierung hätte das nicht gereicht.“
„Bald stellte die Mutter eine Verletzung am Penis des Jungen fest. Noel bestätigte den Missbrauch durch den Vater, als sie ihn darauf ansprach.“
„Auch gegenüber einem Kinderpsychologen?“
„Ja.“ Daniel wusste, was sein Kollege dachte. Kinder erzählten manchmal Dinge, nur um ihren Eltern zu gefallen, aber Seelenklempner hatten ihre Methoden. „Stefan Haas wurde verurteilt, wurde aber wegen guter Führung und Therapieergebnisse früher entlassen.“
Leander blieb stehen. „Und sein Gorilla?“
Lachend ließ Daniel seinen Bock auslaufen. Sie waren inzwischen so nah, dass der Mann, der sich wie eine Wand zwischen Stefan Haas und dem protestierenden Mob postiert hatte, ihn hörte und sich zu ihnen umdrehte. Er zog seine Nase kraus wie ein Rottweiler. Sie schien einmal gebrochen gewesen zu sein, denn sie war schief. Seine Iriden waren so dunkelblau und scheinbar ohne jegliche Einfärbungen, dass sie sich scharf von den Pupillen abhoben. Mit einem stechenden Blick musterte er Daniel und Leander, dann entspannte sich seine Miene und er wandte sich wieder den Frauen und Männern zu.
„Uwe Beck, 46.“ Daniel schloss seine Hände fest um die Greifringe. „Er glaubt wohl, dass von einem Rollifahrer und einem Spargel keine Gefahr ausgeht, aber er täuscht sich gewaltig.“
„Spargel? He!“
Forsch fuhr Daniel zu Stefan Haas und zeigte Dienstausweis und Marke. „Kriminalpolizei. Wir würden gerne mit Ihnen sprechen.“
Haas’ Augen weiteten sich. Ängstlich sah er von einem zum anderen. Er ließ die Bürste in den Eimer fallen. Das Wasser schwappte über. Statt zu antworten, rief er über seine Schulter hinweg: „Uwe!“
Daniel entging das Zittern in Haas’ Stimme nicht. Für einen Moment hörten die Frauen und Männer mit ihrem Getöse auf. Neugierig lauschten sie.
„Können wir bitte reingehen.“ Daniel steckte seine Legitimation wieder weg. „Wir haben ein paar Fragen an Sie und die anderen Bewohner.“
„Wer hat sich diesmal über uns beschwert?“
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