Nr. 13: Thriller (German Edition)
doch es hätte nicht viel gefehlt und er hätte sich für die dunkle Seite entschieden, seinem Hass freien Lauf gelassen und Selbstjustiz geübt. Vielleicht sollte er doch nicht so hart mit den Bewohnern der Nummer 13 ins Gericht gehen. Manchmal gab eine einzige Entscheidung dem Leben eine völlig neue Richtung.
„Uwe Beck und ich hatten denselben Bewährungshelfer.“ Schäfer hielt sich an dem Geländer fest, das in Hüfthöhe angebracht war. „Als ich hörte, dass das Mietshaus von Uwes Bruder Peter leer stand, weil niemand in dieser Bruchbude wohnen wollte, packte ich die Gelegenheit beim Schopfe.“
Leander musste sich in eine Ecke drücken, damit sie in die enge Kabine passten. „Und dazu haben Sie Geld?“
„Ich hatte Rücklagen. Außerdem verdiene ich etwas Geld, indem ich finnische Bücher für einen Verlag übersetze, der sich auf spirituelle Literatur spezialisiert hat.“ Mit seinen Handflächen fuhr Schäfer über seinen Hintern, als wollte er unauffällig etwas abwischen.
Dumm nur, dass er das genau auf Daniels Augenhöhe tat. Schwitzte er etwa? War er nervös? Daniel fragte sich, was der Grund dafür sein könnte. Bisher war der Anführer der Ex-Knackis doch recht souverän aufgetreten.
Ein kräftiger Ruck ging durch die Sardinenbüchse. Der Fahrstuhl gab ein Keuchen von sich. Dann hielt er an. Die Tür glitt geräuschvoll zur Seite. Daniel fuhr hinaus und machte drei Kreuze, weil sie nicht abgestürzt waren. Ungeduldig wartete er darauf, dass Roman Schäfer die Wohnung aufschloss. Sicherlich verwaltete er als zentrale Figur der Hausgemeinschaft die Schlüssel. Doch Schäfer musste sie nicht entriegeln, denn als er dagegendrückte, schwang sie auf. Sie war nur angelehnt gewesen.
Überrascht hielt Daniel vor der Schwelle an. „Stehen alle Apartments offen?“
„Nur die leeren.“ Schäfers Lid zuckte.
Das bedeutete, jeder Bewohner oder sogar Fremde, der in die Nummer 13 einstieg, kam in diesen Raum hinein. Innerlich stöhnte Daniel, als er seinen Chopper hineinlenkte. Das grenzte die Verdächtigenliste nicht gerade ein.
Schäfer trat hinter Leander ein. „Die Bewohner schließen selbstverständlich ab. Allein schon deshalb, weil sie Angst haben, dass jemand bei ihnen einbricht, ihnen ein Brotmesser in den After rammt und sie von innen heraus aufschlitzt.“
Leander sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein.
„Schauen Sie nicht so pikiert“, sagte Schäfer zu ihm. „Genau das hat man uns angedroht. Weil schon einmal Molotowcocktails durch die Fenster geworfen wurden, räumen wir alle Möbel, also alles Entflammbare, in den Keller. Dort sind sie hinter einer Feuerschutztür geschützt.“
„Auch die Einrichtung aus diesem …?“ Beinahe hätte Daniel diese vier Wände als „Loch“ bezeichnet. „Sie sagten doch, es wäre nie bewohnt gewesen, seit Sie das Haus angemietet haben.“
„Der Vormieter hatte ein paar Dinge zurückgelassen. Vermutlich gehören sie auf den Müll.“ Eine zarte Röte zeigte sich auf Schäfers Wangen. „Aber Uwe, Stefan und Michael leben alle von Arbeitslosengeld und mein Honorar geht fast komplett für die Miete drauf. Deshalb haben wir den Schrott behalten.“
Obwohl Daniel eine Jacke trug, fror er. In der Wohnung war es kalt wie in einem Eisschrank. Er roch den Schwarzschimmel an den Wänden regelrecht. Feucht, modrig und ungesund. Jemand hatte die Tapete abgerissen und den Putz darunter freigelegt. Vielleicht der Vormieter, um die Missstände aufzudecken und Nachmieter zu warnen.
Daniel fuhr von Zimmer zu Zimmer. Die sandigen Reifen seines Choppers knirschten auf dem Betonboden. Aufmerksam sah er sich um. Nichts. Und dennoch kribbelte Adrenalin in seinen Adern. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Er stellte sich vor, wie in diesen Räumen eine Frau um ihr Leben gekämpft hatte. Vergeblich. Am Ende hatte man ihr die Kehle durchgeschnitten. Seine Rollstuhltaschen waren bestückt mit allerlei Equipment, das ihm bei den Ermittlungen helfen konnte. Ausgerechnet Luminol fehlte. Wenn er wenigstens Schwarzlicht dabeihätte. In einer wahnwitzigen Idee malte er sich aus, wie er einen Spurensicherungskoffer unter seinem Sitz befestigen konnte. Wenn er nur irgendetwas finden würde! Einen klitzekleinen Hinweis, der es ihm erlauben würde, den Erkennungsdienst anzufordern. Der könnte diesem Apartment, so karg wie es war, Geschichten entlocken.
Während Leander nebenan Roman Schäfer in ein Gespräch verwickelte, damit Daniel sich alleine und in Ruhe
Weitere Kostenlose Bücher