Nr. 13: Thriller (German Edition)
dich von ihm fern, oder …“
Stefan Haas, der ihn durch die Hintertür hineingelassen hatte, zeigte durchs Treppenhaus nach oben. „Fahr ruhig schon rauf. Roman wartet oben auf dich. Ich gehe zu Fuß in den ersten Stock.“
Unsicher nickte Ben. Noch konnte er weglaufen. Er tat es aber nicht. Flucht war keine Option mehr für ihn, seit er sich übers Kiffen in den Rausch geflüchtet hatte und dadurch zum Feigling geworden war. Er hatte sich vorgenommen, ab sofort seinen Mann zu stehen, also würde er jetzt nicht den Schwanz einziehen.
Merkwürdigerweise wartete Haas mit ihm vor dem Lift. Seine Miene wirkte verschlossen, als würde er krampfhaft die Zähne aufeinanderbeißen, aber auch ein wenig traurig. Vielleicht war er auch nur schläfrig. Benjamin mochte nicht, wie er ihn anstarrte. So von unten herauf. Wie ein lauernder Wolf, der auf den Moment wartete, dass sein Opfer unaufmerksam war. Deshalb ließ Ben ihn nicht aus dem Blick. Haas war angespannt. Er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, aber Ben merkte es trotzdem.
War Stefan Haas der Mann, mit dem Roman sich so hitzig unterhalten hatte?
Nachdem sich die Türen geschlossen hatten, fühlte sich Benjamin wohler. Ruckelnd setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Es quietschte und knarzte, aber Benjamin war zu müde, um sich allzu große Sorgen zu machen. In der Fensterscheibe des Busses hatte er gesehen, dass die Schatten unter seinen Augen noch immer da waren. Die ganze Nacht über hatte er an seinen Freund denken müssen. Musste er Angst vor Roman Schäfer haben? Immerhin hatte der sich an minderjährigen Jungen vergriffen.
Aber Ben war vor dem Gesetz volljährig und keine leichte Beute. Seine Eltern sahen das bestimmt anders, nach dem Drama um Julia. Aber das gehörte der Vergangenheit an, und was wussten sie schon von ihm? In den letzten Monaten hatten sie sich nur darum gekümmert, ihre Ehe zu kitten und eine neue Bleibe zu finden. Gestern Abend waren seine Mutter Heide und sein Vater Hajo vorbeigekommen und hatten ihm seinen Schlüssel für ihr frisch gekauftes kleines Häuschen in Rodenkirchen vorbeigebracht. Sobald sie renoviert hatten, konnten sie einziehen und wieder als Familie unter einem Dach wohnen. Er sollte sich die Farben für sein Zimmer aussuchen, hatte sich aber nicht entscheiden können. Welcher Achtzehnjährige wollte schon am Stadtrand leben, wo die Bürgersteige um acht Uhr abends hochgeklappt wurden? Außerdem fühlte er sich wohl bei Marie und Daniel.
Der Gedanke, der Benjamin jedoch am meisten erschreckt hatte und der ausschlaggebend dafür gewesen war, dass er doch wieder in den Bus nach Ehrenfeld gestiegen war, war, dass es ihn mehr zu Roman Schäfer hinzog als zu seinen Eltern. Er konnte an nichts anderes denken als an ihn. Roman war etwas Besonderes, so gelassen und offen, ein besonnener Kämpfer, gebildet, belesen und er strahlte ihn jedes Mal an, wie Julia es zuletzt getan hatte. Doch Julias Strahlen hatte ihn nicht angesteckt. Er hatte sich in ihrer Gegenwart wohlgefühlt, mehr nicht – aber Roman dagegen reizte ihn. Gerade weil er im Gefängnis gewesen war. Er wirkte nicht gefährlich, aber Benjamin wusste, dass er es unter gewissen Umständen sein konnte.
Während der Lift im dritten Stockwerk hielt, korrigierte er sich: gewesen war . Die Depot-Therapie hinderte Roman daran, rückfällig zu werden. Ben war also in Sicherheit. Er spielte nicht mit dem Feuer, sondern er kostete nur den Reiz des Verbotenen aus und hing mit einem Ex-Häftling ab.
Das Gesicht von Stefan Haas tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Das machte ihm bewusst, dass seine Besuche in der Bruchstraße keineswegs ohne Risiko waren.
Roman wartete schon auf Benjamin. Herzlich schloss er ihn in die Arme und führte ihn in sein Apartment. Er schien sich ehrlich zu freuen, ihn zu sehen.
Benjamin hatte das Gefühl, einen Kumpel zu treffen. Und waren sie das nicht längst – Freunde? Der einzige, den Ben hatte, seit das Rat Pack auseinandergebrochen war. In der Schule machten die Mitschüler entweder einen Bogen um ihn, weil er zu Warnschussarrest verurteilt worden war, oder sie hielten ihn gerade deshalb für cool. Aber mit Letzteren wollte er nichts zu schaffen haben. Es war nichts, absolut gar nichts cool daran, was er getan hatte.
„Komm, ich habe dir etwas besorgt.“ Lächelnd schob Roman ihn ins Schlafzimmer.
Ben wurde heiß. Aber den Mantel auszuziehen, den Roman ihm beim letzten Treffen geschenkt hatte, hätte ein falsches Zeichen
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