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Nuancen der Lust (German Edition)

Nuancen der Lust (German Edition)

Titel: Nuancen der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Grünberg , Antje Ippensen , Emilia Jones , Sira Rabe , Jasmin Eden
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restlichen Papiere, die euch weiterhelfen werden. Passt gut auf alles auf und nun lebt wohl.«
    Überwältigt blickten Alicia und Yamin dem alten Mann ins Gesicht.
    »Wie können wir Euch je dafür danken, Mortimer?!«, stieß die junge Stroma endlich hervor, als sie ihre Sprache wiederfand.
    »Indem ihr auch gut auf euch aufpasst … und euch ab und zu an mich erinnert«, antwortete der greise Erfinder mit feinem Lächeln.
    »Nein«, schüttelte Alicia den Kopf, »das ist doch viel zu wenig Lohn.«
    »Ihm genügt das, Alicia, glaube mir. Er ist ein wunderbarer Mensch, dem an materiellen Gütern gar nichts liegt«, sagte Yamin und zog schon an ihrem Kleid. »Aber auch ich finde es großartig – es ist tausendmal besser als alles, was ich erhofft hatte, Sir. Alicia, komm, lass uns aufbrechen …« Er hatte sämtliche Unterlagen bereits in seine Basttasche gesteckt.
    »Da vorn, die kleine halbrunde Tür.« Mortimers Hand wies in die entsprechende Richtung.
    Als sie schon ein paar Schritte gelaufen waren, riss Alicia sich plötzlich los und machte noch einmal kehrt. Sie lief zu dem alten Mann hin und küsste ihn wortlos, aber innig auf die welke Wange.
    So war es ein richtiger Abschied.

    Sie fanden durch den Geheimgang ins Freie, um dort festzustellen, dass bereits der Morgen dämmerte. Und überall stieg dichter, gespinstartiger Nebel auf.
    Alicia mochte den typischen London-Dunst nicht. Zum Glück hatte sie ihrem Gewerbe nie auf der Straße nachgehen müssen; trotzdem steckte auch ihr die Furcht vor Triebtätern in den Knochen, die sich ihre Opfer, zumeist Prostituierte, bevorzugt bei dieser Witterung suchten. Unwillkürlich griff sie nach Yamins Hand.
    »Weißt du, wie wir von hier aus in die Camden Street kommen?«, fragte sie ihn und dämpfte dabei die Stimme.
    Der Junge nickte eifrig. »Ja klar. Und es ist noch nicht einmal weit weg.« Sein Händedruck hatte etwas Tröstliches – obwohl er noch so jung war, zeigte er eine ganz erstaunliche Reife, Erfahrung, Gewitztheit und Schläue.
    Yamin führte sie tatsächlich nur etwa eine Viertelstunde lang durch die Straßen, die zu dieser frühen Tageszeit leer und still dalagen, und dann standen sie vor einem vornehmen, gleichwohl vom Zahn der Zeit benagten und mithin etwas heruntergekommenen Steinhaus. Seine Mauern waren früher einmal hell gewesen, jetzt aber durch den ewigen Londoner Ruß vollkommen geschwärzt.
    Sie verbargen sich in einem Torbogen auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
    Yamin betrachtete seine Gefährtin und stellte fest, dass ihre Züge, sonst zart, lieblich und klug, auf einmal hart und kantig wurden. Die Haut straffte sich über ihren hohen Wangenknochen.
    »Das Haus meines Vaters. Da sind wir nun also«, sagte sie grimmig. »Yamin, ich weise dich darauf hin, dass wir uns mit Gewalt Einlass verschaffen müssen. Falls du dir das nicht schon gedacht hast.«
    Er grinste. »In der Tat hab ich sowas schon geahnt. Und ich hab Erfahrung darin. Bin schon oft in Häuser eingebrochen, mein Spezialwerkzeug ist immer in meiner Tasche. Mal sehen, um was für ein Schloss es sich handelt.«
    Nur Minuten später hatte er es geknackt.
    »Hier bist du also aufgewachsen«, flüsterte Yamin und sah sich neugierig um.
    »Mhm«, brummte Alicia. »Und sicher ist mein Sohn in meinem ehemaligen Kinderzimmer untergebracht. Oben, im ersten Stock.«
    Wie Mäuse huschten sie die Treppe hinauf, und niemand stellte sich ihnen in den Weg.
    »Wie viel Personal hat dein Vater?«
    »Nicht mehr als drei Leute, denke ich.«
    Aus einem der Zimmer im ersten Stock drang ein leises Wimmern, und jäh entrang sich Alicia ein Schrei. »LION!«
    Yamin machte ihr keinen Vorwurf – jede Mutter hätte sich ähnlich verhalten, dachte er. Der indische Waisenjunge war Feuer und Flamme für die Rettungsaktion, und er lächelte über das ganze Gesicht, als er die – jetzt wieder strahlende – Alicia sah, mit ihrem kleinen Sohn auf dem Arm, den sie aus seiner Wiege geholt hatte.
    Yamin stand mit dem Rücken zur Tür, ein paar Momente lang, und blickte von Alicia zu Lion; durch die hellen Vorhänge fiel das erste diffuse Morgenlicht, so dass keine Lampe vonnöten war, um alles gut zu erkennen. Der knapp Einjährige schien das genaue Ebenbild seiner Mutter zu sein, war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten: rotblond mit leuchtend braunen Augen und zarter Seidenhaut. Er hatte einmal aufgeschluchzt; nun lag er ruhig in ihren Armen.
    Auf einmal wurde Alicias Gesicht wieder ernster, sie schaute

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