Nuancen der Lust (German Edition)
beherrschte die Atmosphäre. Davor lag ein gelber Fransenteppich. Ein grünes Sofa, ein passender Sessel und ein kleiner Holztisch waren darauf arrangiert. Als Dekoration dienten mehrere Grünpflanzen, die in scheinbar exakt gleichem Abstand voneinander vor den Wänden aufgestellt waren.
»Mach dich doch schon mal frei und leg dich hin«, sagte Marco und deutete auf das Sofa.
»Wie bitte?« Leonie hatte sich wohl verhört. Was sollte das denn nun werden?
»Ich werde dich von deinen Hemmungen erlösen.« Er blickte sie in derart ernsthafter Weise an, dass sie erste Selbstzweifel in sich aufsteigen fühlten. Im Grunde wollte sie ihm widersprechen. Vermutlich wäre es sogar das Vernünftigste gewesen, ihm den Vogel zu zeigen und auf der Stelle zu verschwinden. Aber da war es wieder, dieses Besondere, das sie regelrecht fesselte und zum Bleiben zwang.
»Ich kann dir gerne beim Ausziehen helfen«, bot Marco an. »Aber ich kann mir auch die Augen verbinden und dich erst ansehen, wenn du dich dazu bereit fühlst.«
Das wäre ja noch schöner. Unterstellte er ihr etwa, dass sie zu prüde war, um sich ihm nackt zu zeigen?
»Nein, kein Problem.« Sie zog sich zuerst das Shirt über den Kopf und ließ es anschließend zu Boden gleiten. Aufmerksam beobachtete sie, ob er eine Reaktion zeigte. Beinahe wünschte sie sich, dass es ihn erregte, ihre nackte Haut zu sehen.
Entgegen ihrer Hoffnung, blieb er vollkommen ruhig. Er sah ihrzu, wie sie aus ihrer Stoffhose schlüpfte. Dann wandte er sich ab und kramte in einer Kiste, die in der Ecke neben dem Regal stand. Sie ärgerte sich über seine offenkundige Gefühlskälte und überlegte zum wiederholten Male, ob sie nicht einfach abhauen sollte.
Marco drehte sich wieder zu ihr herum. Er hielt drei rote Stumpenkerzen in der Hand, die er auf dem Holztisch abstellte und entzündete. Sie brannten einige Sekunden, in denen Leonie still verharrte. Dann schaltete Marco das Licht aus, und nur der Schein der Kerzen hüllte sie ein.
»Ist es besser so?«, fragte er.
»Besser wofür?«, entgegnete sie.
»Um auch den Rest von deinem Ballast abzulegen.«
Leonie starrte ihn an. »Willst du damit sagen, dass ich mir auch die Unterwäsche ausziehen und mich komplett nackt vor dir aufs Sofa legen soll?«
»Nun, was denn sonst? So funktioniert das nun mal. Ich dachte, das hätte Thea dir erklärt.«
Thea! Innerlich verfluchte Leonie ihre Freundin. Die würde ihr in der nächsten Mittagspause sicherlich noch einiges mehr zu erklären haben.
»Wenn es dir hilft, kann ich mich ebenfalls ausziehen«, bot er an.
Leonie besah sein dünnes Hemd, das die Konturen seines muskulösen Körpers erahnen ließ. Ihr Blick wanderte auf seine Leibesmitte, auf seinen Schritt, doch eine Ausbeulung konnte sie wegen des luftigen Stoffes nicht erkennen. Vermutlich war das auch besser so. Auf diese Weise verlor sie wenigstens nicht komplett den Verstand.
»Schon in Ordnung«, meinte sie mit gedehnter Stimme. »Das kriege ich hin. Ist ja nicht das erste Mal, dass ich mich vor einem Mann ausziehe.« Sie zwinkerte ihm zu, obwohl sie diesen Scherz selbst als äußerst lahm empfand. Ohne weitere Umschweife zog sie sich Slip, BH und Socken aus.
»Bitte«, forderte Marco und wies erneut auf das Sofa.
Leonie legte sich auf den Rücken, mit dem Kopf in Richtung Sessel. Es kam ihr seltsam vor. Gab es so etwas wie Nackt-Psychologen?
»Und jetzt schließ bitte die Augen«, sagte Marco.
Leonie unterdrückte ihren ersten Impuls nach dem
Warum
zufragen. In der Zwischenzeit war ihr klar, dass die Diskussionen mit ihm zu nichts führten.
»Erzähl mir von deinem letzten Abend. Von diesem Mann, mit dem du die Nacht verbracht hast. Er hieß Dennis, richtig?«, fragte Marco.
Sie ärgerte sich über sein Wissen. Thea hatte kein Recht gehabt, ihm davon zu erzählen. Das hätte sie auch selbst tun können, wenn es ihr richtig erschienen wäre.
Leonie musste einmal tief durchatmen, ehe sie sich soweit beruhigt hatte, um in einem vernünftigen Tonfall zu sprechen. »Er war nett und süß«, sagte sie dann. »Wirklich zum Anbeißen. Ich konnte ihm einfach nicht widerstehen. Also bin ich mit zu ihm, obwohl ich nichts über ihn wusste, außer seinem Namen.«
»Machst du das öfter?«
Sie konnte hören, wie er sich ein wenig von ihr entfernt hatte. Er schien in etwas zu kramen, vermutlich wieder in der Kiste.
»Hm, ich weiß nicht.« Leonie war sich nicht sicher, ob sie ihm die Wahrheit erzählen sollte. Tatsächlich hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher