Nuancen der Lust (German Edition)
wandte sie sich an die anderen, »das sind meine Freundinnen Leonie und Bianca.«
»Hallo Leonie und Bianca«, sagte der Kreis im Chor.
»Hey ho«, meinte Bianca.
Leonie hob zaghaft eine Hand und winkte.
»Bitte legt doch eure Jacken und Schuhe dort drüben ab.« Thea deutete auf einen Berg von Klamotten, der sich hinter ihnen auftürmte. »Und setzt euch dann zu uns. Die Sitzung wird jeden Moment beginnen. Unser Guru bereitet sich gerade vor.«
Bianca atmete hörbar aus. »Glück gehabt.« Sie zwinkerte Leonie zu. »Na, dann setzen wir uns mal in die Runde, was?«
Gesagt, getan. Leonie nahm zwischen Thea und Bianca am Fußboden Platz. Sie hatte Schwierigkeiten in den Schneidersitz zu kommen, denn sie war alles andere als beweglich. Der einzige Sport, den sie betrieb, war Sex, und selbst daran empfand sie seit Kurzem keinen Spaß mehr.
Theas Hand legte sich auf ihre Schulter. »Entspann dich. Du wirst schon sehen, es wird dir gut tun, mit uns zu reden und zu meditieren.«
»Ich werde mich nicht ausziehen und mit irgendwem hier nackt durch den Raum tanzen«, flüsterte Leonie drohend.
»Keine Panik, ich habe Marco von deinen Hemmungen erzählt. Wir machen heute nur leichte Anfängerübungen.«
Leonie ärgerte sich so sehr darüber, dass Thea bei ihr von Hemmungen sprach, dass sie fühlte, wie ihr die Zornesröte in die Wangen schoss. Sie suchte nach einer Erwiderung, die sich gesalzen hatte. Doch im nächsten Moment öffnete sich die Tür am Ende des Raumes und heraus trat ein Mannsbild, bei dessen Anblick es ihr schlichtweg die Sprache verschlug.
»Ach, da ist er ja«, sagte Thea. »Ladies, das ist Marco. Unser Guru.«
Bianca ließ ein anerkennendes Pfeifen verlauten. »Na, für den würde ich mich allemal nackig machen und singend durch den Raum tanzen.«
Leonie verkniff sich jeden Kommentar. Sie wusste genau, dass es generell nur sehr wenige Dinge gab, vor denen Bianca zurückschreckte, um einen Kerl flachzulegen.
Marco trug ebenfalls ein weißes Nachthemd. An ihm wirkte es jedoch überhaupt nicht unansehnlich oder lächerlich. Er war überdurchschnittlich gut gebaut, so dass sich die Konturen seiner Muskeln durch den Stoff abzeichneten. Der sichtbare Teil seiner Haut deutetedarauf hin, dass er entweder ein Sonnenanbeter oder Solariumgänger war. Sein kurz geschnittenes dunkelbraunes Haar umrahmte sein vornehm anmutendes Gesicht und passte perfekt zu seinen dunklen Augen. Sein Blick hatte etwas Mystisches, wirkte jedoch gleichzeitig intelligent und wissend.
Leonie spürte ein Kribbeln in ihrem Unterleib.
Marco schnipste einmal mit den Fingern, woraufhin der Langhaarige aufsprang, sich unterwürfig neben das Sitzkissen kniete und den Stoff glatt strich.
»Danke.« Der Guru bedeutete ihm mit einem Handwink, dass er aufhören sollte. Daraufhin fand auch er in den Schneidersitz. Mit geradem Rücken und aufrecht erhobenem Haupt blickte er auf seine kleine Gemeinde herab.
Leonie kam sich plötzlich ganz klein und unbedeutend vor und fragte sich, ob es ihren Freundinnen ebenso erging. Sie wagte jedoch nicht, den Augenkontakt mit Marco zu unterbrechen, um nach Thea oder Bianca zu sehen. Er hielt sie mit seiner ganz besonderen Ausstrahlung regelrecht gefangen. Etwas Ähnliches hatte Leonie nie zuvor bei einem Mann erlebt.
»Wir begrüßen heute zwei neue Mitglieder in unserem Kreis.« Marco nickte zuerst ihr und dann Bianca zu.
»Wir sind wirklich sehr froh, dass Sie uns so freundlich aufnehmen«, flötete Bianca. Sie verpasste Leonie einen Stoß mit dem Ellenbogen in die Rippen, als diese nicht gleich reagierte.
»Ja.« Leonie räusperte sich. »Sehr freundlich. Vielen Dank.«
Von der anderen Seite streichelte Thea ihr über die Schultern. »Mach dich locker, meine Liebe. Mach dich frei.«
Leonie fragte sich, ob das nun die Aufforderung war, sich zu entkleiden, um mit dem Tanz beginnen zu können. Sie musste sich eingestehen, dass ihr der Gedanke mit einem mal gar nicht mehr so unangenehm vorkam. Auf ihre Lippen schlich sich sogar ein kleines Lächeln, als sie sich vorstellte, wie es bei Marco wohl unter dem Nachthemd aussah.
Eine Stunde später war die Sitzung auch schon wieder vorbei. Enttäuschung machte sich in Leonie breit. Die Gruppe hatte sich wederausgezogen, noch getanzt oder überhaupt irgendwelche eindeutigen Dinge getan. Marco entpuppte sich als wortkarg und langweilig. Die meiste Zeit über hatte er gesummt, um sie in Trance zu bringen. Zumindest war das offenbar sein Plan gewesen.
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