Nuancen der Lust (German Edition)
verheimlicht, sondern den gesamten Verlauf der Privatstunde bei Kerzenschein erzählt. Auch, dass sie erkalteten Wachs auf ihrer rechten Brustwarze entdeckt hatte, nachdem sie sich von dem heftigen Kuss mit Marco erholt hatte.
Thea zuckte nur mit den Schultern, als wäre das nicht weiter bedenklich. »Ist doch okay.«
»Ja, finde ich auch«, sagte Bianca. Es war nicht zu übersehen, dass ihre Gedanken sich bereits um etwas vollkommen anderes drehten.
Leonie seufzte. »Du findest das also nicht seltsam?«, fragte sie Thea.
»Nein, warum? Marco ist ein Genie, wenn es darum geht, verborgene sexuelle Gelüste zu ergründen.«
»Findest du denn, dass es bei mir etwas zu ergründen gibt?«
»Anscheinend schon. Er hat etwas gefunden. Und ich glaube, ichsollte dir verraten, dass es etwas ist, an dem Marco auch persönlich seine Freude haben wird.«
Leonie zog die Augenbrauen zusammen. »Was soll das denn bitte heißen?«
»Er ist ein Top aus Leidenschaft.« Es klang schwärmerisch, wie Thea das sagte. Sie machte eine wedelnde Handbewegung. Doch im nächsten Moment entglitten ihr die Gesichtszüge auch schon. »Leider habe ich persönlich es nie geschafft, mich für diese Art der Verbindung zu begeistern. Aber bei dir scheint es ja irgendetwas zu bewirken.«
Leonie beugte sich zu Thea vor und fasste sie beim Arm. Sie zischte ihre folgenden Worte ein wenig. »Ich habe keine Ahnung, wovon du da sprichst. Könntest du mir also bitte verraten, was genau die Vorlieben von Marco sind? Was soll denn ein Top aus Leidenschaft sein?«
Bianca lachte auf und verschluckte sich dabei an der Banane. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund, konnte aber wohl nicht aufhören, sich zu amüsieren.
Nun beugte sich Thea ebenfalls zu Leonie vor und flüsterte: »Na, er steht auf SM. Peitschen, schlagen, fesseln und so. Du weißt schon.«
Leonie wusste gar nichts. SM gehörte nicht unbedingt zu den Praktiken, mit denen sie sich bislang auseinander gesetzt hatte.
»Vielleicht bist du ja die perfekte Partnerin für ihn«, sagte Thea dann wieder in normaler Lautstärke. »Du solltest das unbedingt ausprobieren. Er sagt immer, wenn man darauf steht, kann es so eine Art Erfüllung sein.«
»Erfüllung«, wiederholte Leonie. Sie musste nachdenken. Marco hatte sie mit seinem Vorgehen überrascht. Sie war nicht darauf vorbereitet gewesen. Offenbar hatte er zuerst getestet, wie hart er sie anfassen konnte, ehe er beschlossen hatte, heißes Kerzenwachs auf sie zu tropfen. Der Schmerz flammte immer noch in ihrer Brust auf, wenn sie daran zurück dachte. Allerdings nur kurz.
Tatsächlich hatte das Wachs nur für einen sehr kurzen Moment gebrannt. Marcos Kuss und das anschließende pochende Verlangen zwischen ihren Schenkeln war viel intensiver gewesen.
Sie musste sich darüber klar werden, wie sie damit umgehen wollte.
Am Abend stand Leonie vor dem Eingang zu Marcos »Schulungsraum der Gelüste«, wie sie auf dem Schild neben der Tür ablesen konnte. Sie wagte es jedoch nicht hinein zu gehen. Den ganzen Tag über hatte sie sich mit der Frage auseinander gesetzt, was sie wollte, ohne dabei ein Ergebnis zu finden.
Marco war ein attraktiver Mann, der mit seinen Händen umzugehen wusste, so viel stand fest. Sex mit ihm wäre sicher nicht zu verachten gewesen. Aber mit der Verbindung zu irgendwelchen SM-Praktiken konnte sie sich spontan nicht anfreunden. Sie kannte sich damit nicht aus, wusste nicht einmal, ob sie das überhaupt wollte. War es da wirklich der richtige Weg, Theas Guru aufzusuchen, um es sich von ihm beibringen zu lassen?
Leonie wanderte ein paar Schritte den Bürgersteig hinunter, drehte sich dann um und betrachtete den Eingang aus der Entfernung. Alles wirkte ganz normal.
Zwei Frauen gingen an ihr vorbei. Sie waren ungefähr in ihrem Alter, sehr hübsch und gut gekleidet. Die beiden vermittelten außerdem den Anschein, als hätten sie unsagbar gute Laune. Mit fröhlichen Mienen schritten sie geradewegs auf die Tür des »Schulungsraumes« zu und öffneten.
Aus einem Reflex heraus wandte Leonie sich ab und presste sich dicht gegen die Häuserzeile. Ein heftiger Stich bohrte sich in ihren Brustkorb. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, keine Luft mehr zu bekommen. Doch als sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen hörte, konnte sie schon wieder tief durchatmen.
Seltsam.
Sie stieß sich von der Wand ab und machte sich auf wackeligen Knien auf den Weg davon. Heute würde sie Marco keinen Besuch abstatten, denn offenbar
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