Nuancen der Lust (German Edition)
Treppenhaus versteckte aber sie außer ihr war niemand sonst da.
Mit spitzen Fingern nahm sie das Päckchen auf und untersuchte es – vielleicht gab es einen Hinweis auf den Absender? Oder jemand hatte das Ding einfach versehentlich an die falsche Haustür geliefert.
Doch an der Schleife hing ein Zettel mit ihrem Namen – Melanie.
Noch einmal sah sie sich um, diesmal wesentlich misstrauischer als zuvor. Hastig schloss sie die Tür auf und stolperte in ihre Wohnung; sie schloss zweimal hinter sich ab und machte in jedem Raum das Licht an. Das Päckchen warf sie auf den Wohnzimmertisch, möglichst weit von sich.
Was sollte das? Hatte sie sich einen irren Stalker angelacht? Die Stimme im Café fiel ihr wieder ein: Waren die Worte doch für sie bestimmt gewesen?
Ein eisiger Schauer zog sich über ihre Haut und sie rieb sich fröstelnd über die Oberarme. Was tun, was tun, was tun?!
Melanie presste die Hände auf die Schläfen und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Vielleicht dramatisierte sie nur und es war ein Zufall gewesen, dass sie ausgerechnet heute diese Stimme gehört hatte. Was war überhaupt in diesem Päckchen drin?
Ein wenig steif stakste Melanie zum Wohnzimmertisch hinüber und zog mit spitzen Fingern das Schleifenband auf. Der Deckel des Päckchens ließ sich leicht aufschieben; darunter kam fliederfarbenes Seidenpapier zum Vorschein und obenauf ein Brief. Wie auch der Anhänger am Päckchen selbst war die Schrift hübsch aber eindeutig aus dem Computer. Unpersönlich.
Melanie atmete tief ein, nahm den Brief ohne sich weiter den Inhalt des Päckchens anzusehen und öffnete den Umschlag. Das Briefpapier selbst war edel – Büttenpapier soweit sie feststellen konnte, und es fühlte sich weich an. Würde ein Psychopath oder Stalker ihr so etwas schicken?
Sie zog sich einen Stuhl heran und überflog die ersten Zeilen, während sie sich hinsetzte.
Liebe Melanie
,
ich hoffe, mein kleines Geschenk hat Dich nicht verunsichert. Es soll lediglich ein Zeichen meiner Aufmerksamkeit sein und Dir beweisen, dass mein Versprechen ehrlich gemeint ist: In siebenTagen werde ich Dir geben was du brauchst. Das und genau das, wonach Du Dich schon immer gesehnt hast, ohne es zu wissen. Deine geheimen Träume, alles, was du selbst Dir niemals eingestehen wolltest
.
Ich will Dich in diese Welt der Wünsche, Sehnsüchte und des Verlangens einführen – wenn Du zulässt, dass ich Dich an der Hand nehme und dorthin entführe. Dir wird dort kein Leid geschehen und Du musst keine Angst haben
.
Also, bist du mutig genug, Dir selbst deine Wünsche zu erfüllen? Bis in sieben Tagen
.
Melanie ließ den Brief sinken. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, aber da war etwas zwischen diesen Zeilen, etwas in den Worten …
Vorsichtig schob sie das Seidenpapier auseinander und sah etwas beklommen auf den Inhalt. Darin befand sich etwas, das aussah, wie ein Ei aus Plastik. Es hatte eine hübsche, türkis Färbung und einen dickeren Ring aus Gummi um die Mitte. Melanie drehte das etwa handtellergroße Ei zwischen den Fingern und betrachtete es fasziniert. Was genau mochte das sein?
Sie legte es zur Seite und untersuchte die Schachtel nach weiteren Hinweisen. Tatsächlich fand sie noch ein Kärtchen auf dem Boden, versteckt unter dem Seidenpapier.
Solltest du mein Geschenk annehmen, führe es dir morgen ein, bevor du zur Universität gehst – du wirst es nicht bereuen
.
Offensichtlich wusste dieser seltsame Verführer auch, wo sie arbeitete. Bis vor zehn Minuten hätte Melanie nach dieser Erkenntnis alles hingeworfen und wäre schreiend zur Polizei gerannt. Doch nach diesem Brief – sie wusste nicht, wieso, aber etwas daran war seltsam vertraut und sprach einen Teil in ihr an, den sie bisher niemals beachtet hatte. Was war nur mit ihr los? Immerhin hatte ihr gerade jemand Wildfremdes einfach ein Sexspielzeug vor die Tür gelegt, mit der Bitte, es zu benutzen.
Melanie nahm das Ei, den Brief und die Karte und stopfte alles zurück in die Schachtel. Es war bereits spät und sie konnte sich noch so sehrdas Hirn zermartern, auf diese Weise würde sie heute nicht mehr weiterkommen. Mit schwerem Kopf ging sie ins Bett, in der Hoffnung, dass der nächste Tag mehr Klarheit in diese seltsame Sache bringen würde. Am Frühstückstisch beäugte Melanie die Schachtel wieder mit Argusaugen. Sie hatte unruhig geträumt, wobei sich immer wieder Bilder der gefesselten Frau, das Ei und diese seltsame Stimme miteinander vermischt hatten.
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