Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
Vom Netzwerk:
bereits gesehen hatte. Am Ende gab es nichts als ein Übereinander von Bildern, die eine formlose Schwärze schufen.
    Ihm war klar, dass er seine Vision beim Verlassen der Kneipe nahezu vergessen haben würde; sein Gehirn konnte wahrscheinlich gar nicht alles behalten. Er spürte bereits,wie das Wissen seinem Bewusstsein entglitt und in den Abgrund rutschte. Und es war ihm recht. Wenn er nicht mehr wusste, brauchte er auch keine Entscheidungen zu fällen.
    Er hatte keine Ahnung, wie er mit so viel Verantwortung, so vielen Wahlmöglichkeiten leben sollte. Selbst wenn er beschloss, sich auf eine einsame Insel zurückzuziehen, würden seine Handlungen sich durch das Universum ausbreiten wie Wellenringe. Die banalste Entscheidung würde den einen leben, den anderen sterben lassen. Er konnte das nicht ertragen.
    «Ich kann das nicht. Ich kann nicht. Ich kann nicht», murmelte Caine immer wieder.
    «Du kannst was nicht?», fragte Jasper.
    «Ich kann das nicht entscheiden. Es steht mir nicht zu. Wer bin ich, dass ich   –»
    Jasper verpasste ihm eine Ohrfeige. «Du bist David Caine.»
    «Aber wenn ich etwas falsch mache?», fragte Caine. Er hatte nur Augen für seinen Bruder. Es war, als existierten Nava und Doc nicht mehr.
    Jasper lächelte. «Dann machst du es eben falsch, kleiner Bruder. Selbst wenn du gar nichts tust, ist das eine Entscheidung. Du kommst nicht umhin, dich zu entscheiden.»
    «Aber es kann so viel schief gehen – es wird so viel schief gehen.»
    «Das lässt sich leider nicht vermeiden», sagte Jasper. «Aber versuchen musst du es.»
    Caine nickte. Er erinnerte nicht mehr viel von dem, was seiner Vision nach geschehen würde. Aber er wusste dennoch, was er zu tun hatte. Er war sich nicht sicher, ob es das Richtige war – tatsächlich wusste er mit Bestimmtheit, dass er sich möglicherweise irrte   –, aber die Chance, dasser Recht hatte, war größer. Er konnte nur eines tun: den Pfad mit der geringsten Fehlermenge einschlagen. Was anschließend passierte, lag außerhalb seiner Kontrolle.
    Caine holte tief Luft und wandte sich an Nava. «Wir müssen hier weg», sagte er. «Gibt es irgendeinen geeigneten Unterschlupf für uns?»
    «Ja», antwortete Nava prompt. «Ich weiß einen.»
    «Wo?», fragte Caine.
    «Werden Sie sehen, wenn wir dort sind.»
    «Nein», sagte Caine. «Ich muss es jetzt wissen.»
    «Ich glaube nicht   –»
    Caine griff über den Tisch und packte ihre Hand. «Nava, Sie müssen mir vertrauen. Es ist wichtig, dass ich es weiß. Wohin bringen Sie uns? Sagen Sie’s mir.»
    Nava sah ihm forschend in die Augen. Wonach sie auch gesucht hatte, sie schien es gefunden zu haben, denn sie beantwortete seine Frage ohne weiteren Protest. Caine schloss für eine Sekunde die Augen und öffnete sie wieder.
    «Gut», sagte er. «Ich muss auf die Toilette. Danach sollten wir aufbrechen.»
    Caine stand auf und hinkte zu dem langen Flur am anderen Ende des Tresens. Als er sicher war, dass ihn niemand sehen konnte, nahm er den Hörer von dem Münztelefon gegenüber der Herrentoilette ab. Genau in diesem Augenblick fiel ein Schatten auf den Boden. Es war Doc. Caine legte einen Zeigefinger an die Lippen. Er wollte nicht, dass Doc den Anruf Nava gegenüber erwähnte. Doc nickte und verschwand in der Toilette.
    Caine wusste die Nummer von vor drei Tagen noch. Das Telefon klingelte lange, bevor der Mann ranging.
    «Hallo, Peter. Hier ist David Caine.» Er schloss kurz die Augen, versuchte die richtigen Worte zu finden. «Bitte hören Sie mir ganz genau zu, ich habe nicht viel Zeit.»
     
    «Hallo, James.» Forsythe erkannte sofort Tverskys Stimme am anderen Ende der Leitung. «Ich habe gehört, Sie suchen nach mir.»
    «Wie kommen Sie denn darauf?», fragte Forsythe.
    «Verschwenden wir nicht unsere Zeit. Ich weiß, was Sie suchen, und ich kann es Ihnen beschaffen – wenn die Bezahlung stimmt.»
    «Sie haben nichts, was ich brauche.»
    «Auch nicht David Caine?»
    «Sprechen Sie weiter», sagte Forsythe und versuchte, nicht zu interessiert zu klingen.
    «Ich weiß, wo er sich um achtzehn Uhr aufhalten wird.» Forsythe sah auf die Uhr – das war in vierzig Minuten. Er räusperte sich.
    «Was möchten Sie denn dafür haben?»
     
    Sie stiegen in einem Teil von Brooklyn aus der U-Bahn , den Caine nicht kannte. Viele Läden hatten hebräische Namen. Die Männer trugen schwarze Mäntel, schwarze Hüte, schwarze Bärte. Doc schmunzelte. Caine musste zugeben, dass er sich spielend leicht auf neue

Weitere Kostenlose Bücher