Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
Vom Netzwerk:
Gegebenheiten einstellte. Das hatte ihm schon immer an Doc gefallen: Ihn überraschte gar nichts.
    «Das Gesetz der großen Zahlen», hatte Doc einmal zu ihm gesagt. «Überraschend wäre doch nur, wenn jedem Menschen zur exakt gleichen Zeit etwas Merkwürdiges passieren würde. Da ich aber die Dinge nur aus meinem Blickwinkel wahrnehme, muss ich davon ausgehen, dass jedes unwahrscheinliche Ereignis, mit dem ich konfrontiert werde, nicht auch allen anderen Bewohnern dieses Planeten widerfährt. Solange also die Chance seines Eintretens mehr als eins zu sechs Milliarden beträgt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es
irgendjemandem
passiert, bei nahezuhundert Prozent, und was ist an einem Ereignis, das mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit eintritt, noch groß überraschend?»
    Nava führte sie durch unzählige dunkle Gassen, bis sie so weit von der Straße entfernt waren, dass Caine sie kaum noch hören konnte. Als sie bei der dritten Tür ankamen, stieg Nava die Stufen hinauf und klopfte viermal. Eine Klappe in der Tür öffnete sich und enthüllte zwei misstrauisch blickende dunkelbraune Augen. Aber kaum fiel ihr Blick auf Nava, da flog die Tür auf.
    «Meine kleine Nava!», rief ein Bär von einem Mann. Er nahm Nava hoch in seine behaarten Arme und drückte sie so fest, dass Caine schon glaubte, sie würde zerbrechen. Die beiden redeten hektisch auf Hebräisch miteinander, und allmählich verschwand das warme Lächeln des Mannes. Schließlich drehte Nava sich zu den anderen um.
    «Das ist Eitan», sagte sie und zeigte zu dem Hünen. «Eitan, das sind David, Jasper und Doc.»
    «Erfreut, Sie kennen zu lernen», sagte Eitan mit schwerem Akzent auf Englisch. Er schüttelte Caine fest die Hand. «Navas Freunde sind auch meine Freunde.» Er trat von der Tür zurück und winkte sie herein. «Bitte, Sie sind meine Gäste.»
    Im Gegensatz zu der verdreckten Gasse war es in der Wohnung überraschend gemütlich. Ein oranger Teppich bedeckte den Steinboden. Ein hellgelbes Sofa, das in der Mitte stark durchhing – eindeutig Eitans Lieblingsplatz – stand vor einer Wand, an der Familienfotos hingen. Neben dem Sofa stand ein Schaukelstuhl aus Holz, auf dem handgemachte Kissen lagen.
    «Bitte nehmen Sie Platz, ich hole etwas zu essen.» Eitan stampfte davon. Caine manövrierte sich den langen Couchtisch aus Holz entlang und setzte sich auf dasSofa. Die Sprungfedern quietschten leise, aber Caine ging davon aus, dass sie weit mehr aushielten als seine achtzig Kilo.
    Eitan kehrte mit einem Teller Fladenbrot, einer Schale Humus und vier Glas Eistee zurück. Caine machte sich über das Essen her, während Eitan und Nava eine Zigarette rauchten. Die beiden alten Verbündeten plauderten auf Hebräisch, und Caine versuchte so zu tun, als ob alles in bester Ordnung war; dabei wusste er, dass ihm nicht mehr viel Zeit mit seinen Freunden blieb.
     
    «Sie ist dort.»
    «Sehr gut. Ist sie allein?»
    «Nein. Es sind noch drei andere dort, dazu ihr Kontakt.»
    «Den Kontakt töten. Dann sie zu mir bringen.»
    «Verstanden.» Choi Siek-Jin machte sein Handy aus. Es war dunkel in der Gasse, also nahm er seine verspiegelte Sonnenbrille ab. Das Schloss an der Hintertür war ein besseres Spielzeug; es dauerte keine Minute, dann war er drin. Er konnte ihre Stimmen vom anderen Ende der kleinen Wohnung hören, aber er ging nicht in ihre Richtung. Stattdessen wartete er in der Küche.
    Irgendwann würde der Dicke schon kommen. Und dann war Siek-Jin bereit.
     
    «Kann ich Ihnen noch etwas anbieten?», fragte Eitan und zeigte auf die fast leere Schale Humus.
    «Das war mehr als
genug- Zug-Lug-Trug
», sagte Jasper. «Vielen Dank.»
    Eitan lächelte und tat so, als hätte er Jaspers merkwürdige Angewohnheit nicht bemerkt. «Möchten Sie noch etwas Wasser? Oder vielleicht ein Glas Wein?»
    «Ich hätte gerne noch etwas Eistee», antwortete Doc.
    «Gern», sagte Eitan und griff sich Docs leeres Glas. «Bin gleich wieder zurück.»
    Als Eitan den Raum verließ, verspürte Caine ein dumpfes Gefühl. Während er zusah, wie der Gastgeber in Richtung Küche ging, hatte Caine plötzlich das dringende Bedürfnis, ihn aufzuhalten. Aber ein untrüglicher Instinkt hielt ihn davon ab. Hätte er es früher gewusst, dann hätte er verhindern können, was gerade geschah.
    Aber jetzt war es zu spät. Er musste der Welt ihren Lauf lassen.
     
    Siek-Jin hielt einen Finger an die Lippen. Vor Angst gelähmt, stand Eitan da, die Augen weit aufgerissen, und starrte die

Weitere Kostenlose Bücher