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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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würde eher postulieren, dass Zufälligkeit nur der äußere Anschein ist, nicht die Realität.»
    Forsythe hob bei dieser verwegenen Behauptung die Augenbrauen. Was Tversky damit andeutete, war unglaublich. Sie beide wussten, was er meinte, aber Forsythe musste es aussprechen, und sei es nur, um es einmal laut zu hören.
    «Sie glauben also, dass Impuls und Richtung der Elektronen nicht zufällig sind?»
    «Wenn man wirklich an Heisenbergs Theorie glaubt, dass
alles
möglich ist», sagte Tversky, «dann muss es auch möglich sein, dass die Bewegungen der Elektronen nicht zufällig verlaufen.»
    «Was liegt den Bewegungen der Elektronen denn sonst zugrunde, wenn sie nicht zufällig verlaufen?»
    «Spielt das eine Rolle?», fragte Tversky.
    «Natürlich spielt das eine Rolle», sagte Forsythe und fuchtelte mit der Hand.
    «Warum?»
    Forsythe starrte seinen Forscherkollegen an, wusste nicht recht, was er sagen sollte. «Wie meinen Sie das – warum?»
    «Ich meine», sagte Tversky und beugte sich auf seinem Stuhl vor, «warum spielt es eine Rolle, was für die Bewegung der Elektronen verantwortlich ist? Sie könnten ausgelöst sein durch organisierte Teilchen, die noch kleiner sind als Quarks und erst noch entdeckt werden müssen, oder es könnte ein Energiefluss aus einer anderen Welt sein – ja, es könnte sogar sein, dass Elektronen Empfindungen haben. Ich will damit sagen, dass es nicht entscheidend ist,
warum
ihre Bewegungen nicht zufällig sind, sondern einzig und allein,
dass
sie nicht zufällig sind.»
    «Aber die steuernde Variable, die hinter den Bewegungen der Elektronen steckt   –»
    «Ist eine hochinteressante Sache, aber das liegt außerhalb meines Forschungsgebiets.»
    Forsythe trank einen Schluck Kaffee und ließ sich durch den Kopf gehen, was Tversky gesagt hatte. «Aber Sie haben mir immer noch nicht erklärt, worin angeblich Heisenbergs Denkfehler besteht.»
    «Das muss ich auch nicht. Wenn Sie die Tatsache akzeptieren, dass hinter den Bewegungen der Elektronen etwassteckt, müssen Sie auch akzeptieren, dass es eine Kraft gibt, die diese Bewegungen steuert. Sehen Sie das denn nicht? Wenn es diese noch unentdeckte Kraft gibt, dann gibt es möglicherweise Methoden, Elektronen zu beobachten, ohne dazu auf Lichtwellen zurückzugreifen.»
    Forsythe konnte nicht anders, er musste den Mann anstarren.
    «Aber das ist ein Zirkelschluss – und es ist paradox. Sie behaupten, weil in einem probabilistischen Universum alles passieren könnte, könnte dieses Universum auch deterministisch sein statt probabilistisch! Sie verwenden die Heisenberg’sche Unschärferelation dazu, Heisenberg zu widerlegen.»
    Tversky nickte nur. Seine Arroganz war erstaunlich, aber seine Ideen hatten einen bizarren Charme, der auf seltsame Weise zwingend wirkte. Dennoch wollte sich Forsythe nicht anmerken lassen, dass Tversky tatsächlich anfing, ihn zu überzeugen.
    Forsythe räusperte sich und sagte: «Und ich soll diese ketzerischen Hypothesen hinnehmen, weil   … ja, warum eigentlich?»
    «Ich verlange nicht von Ihnen, dass Sie sie unbesehen akzeptieren. Sie sollen nur glauben, dass sie zutreffend sein
könnten

    «Und worauf soll sich Ihrer Meinung nach dieser Glaube gründen?»
    Tverskys Augen leuchteten. «Auf Vertrauen.»
    «Nicht gerade das überzeugendste Argument, das müssen Sie zugeben.»
    Tversky zuckte die Achseln. «Schaun Sie, James, ich bin kein Verkäufer. Ich bin Wissenschaftler. Aber ich sage Ihnen, ich liege richtig. Ich habe es gesehen. Wenn Sie dabei gewesen wären, würden Sie das verstehen.»
    «War ich aber nicht.»
    «Ich aber.»
    Forsythe schüttelte den Kopf. «Es tut mir Leid, aber das reicht mir einfach nicht. Ohne einen Beweis kann ich keine Mittel bewilligen. Ich kann nicht   –»
    Tversky schlug mit der Faust auf den Tisch. «Warum nicht, verdammt nochmal? Wissenschaft war doch mal etwas Revolutionäres. Sie wurde von mittellosen Genies betrieben, die rund um die Uhr schufteten, weil sie eine Theorie hatten, dass das Universum anders funktioniert, als ihre Mitmenschen
glaubten
, dass es funktioniert. Sie hatten eine Vision. Und sie hatten den Mut, für ihre Vision einzustehen.» Tversky erhob sich und beugte sich zu Forsythe vor. «Ich bitte Sie: Versuchen Sie doch dieses eine Mal, kein Bürokrat zu sein, sondern ein Wissenschaftler.»
    Forsythe lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. «Ich
bin
Wissenschaftler. Der einzige Unterschied zwischen uns beiden ist, dass ich in der realen Welt lebe

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