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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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Badezimmer eingedrungen war.
    Das bin nur ich. So sehe ich jetzt aus. Weißt du nicht mehr?
    Sie biss sich auf die bibbernden Lippen. Julia war zwar nie eitel gewesen, hatte aber stets ihr Haar, so mattbraun und widerspenstig es auch war, für das Schönste an sich gehalten. Jetzt war nichts mehr davon übrig. Sie fuhr sich mit der Hand über die kahle Kopfhaut, die übersät war mit braunen Stoppeln.
    Sie sah die acht dunkelblauen Kreise, die Petey ihr auf den Kopf gezeichnet hatte, um zu markieren, wo er die Elektroden ansetzte. Im Zentrum jedes Kreises war ein kleiner roter Einstich. Sie berührte eine dieser Stellen und zuckte zusammen. Sie war noch wund von der vergangenen Nacht. Julia schniefte laut, gab sich Mühe, nicht in Tränen auszubrechen. Die Stimme ihres Gewissens zeterte.
    Wie konnte er dir das antun?
    – Er macht nichts, was wir nicht beide wollen.
    Soll das ein Scherz sein? Guck doch mal in den Spiegel! Wolltest du etwa, dass er dir den Kopf kahl schert? Wolltest du, dass er dich aussehen lässt wie Malen nach Zahlen?
    – Hör auf. Er liebt mich, und ich liebe ihn, und außerdem sind wir ganz bald fertig damit –
    Fertig bist hier bloß du. Du kommst noch um dabei. Die ganzen Medikamente haben deinen Kreislauf schon so durcheinander gebracht, dass du den halben Tag schläfst. Du isst kaum noch was, du bist richtig abgemagert. Hör auf damit, sonst ist es bald zu spät. Ich flehe dich an –
    – NEIN. Endlich habe ich jemanden, und ich bin glücklich. Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?
    Julia schloss die Augen und schob die Selbstzweifel beiseite. Sie sagte sich immer wieder:
Er liebt mich. Er liebt mich. Er liebt mich.
    Als sie sich ein wenig gefangen hatte, öffnete sie die Augen und setzte ihre Perücke auf. Sie sah nicht genauso aus wie ihr ursprüngliches Haar, aber durchaus so ähnlich. Sie trug sie schon seit zwei Wochen, und bisher hatte es niemand bemerkt. Und außer Petey sah sowieso kaum jemand sie richtig an.
    Als Julia ihre Wohnung verließ und dann hastig die Straße überquerte, kam sie an einer großen Brünetten vorbei, die eine Zigarette rauchte. Widerlich. Sie hatte Raucher noch nie verstanden, zumal so schöne Frauen. Warum sie auf ihrem selbstzerstörerischen Verhalten beharrten, war ihr ein Rätsel. Sie sah auf ihre Armbanduhr – 14.19   Uhr. Sie musste laufen, wenn sie rechtzeitig im Labor sein wollte.
    Petey mochte es nicht, wenn man ihn warten ließ.
     
    Nava rauchte ihre Zigarette auf und trat sie dann unterm Stiefel aus. Sie beschloss, Julia Pearlman einen halben Block Vorsprung zu lassen, ehe sie ihr folgte. Nava machte sich keine Sorgen, entdeckt zu werden – die junge Frau wirkte viel zu erschöpft, um groß auf ihre Umgebung zu achten. Und außerdem hatte Nava nicht vor, sie lange zu beschatten. Sobald sich die Gelegenheit bot, würde Nava sich die Frau schnappen.
    Sie folgte Julia ein gutes Stück und sah dann zu, wie sie auf der anderen Straßenseite das zehngeschossige Gebäude betrat, in dem Tverskys Labor untergebracht war. Nachdem sie sich bei einem Sicherheitsbeamten ausgewiesen hatte, verschwand Julia außer Sicht. Nava warteteein paar Minuten lang und betrat dann ebenfalls das Gebäude. Sie schlenderte zu dem Sicherheitsbeamten und setzte dabei ein kokettes Lächeln auf.
    «Entschuldigen Sie, ich war hier vor zwanzig Minuten mit einer Freundin verabredet, aber sie ist nicht gekommen. Gibt es in diesem Gebäude noch einen anderen Ausgang?»
    «Nein, Ma’am», antwortete der Sicherheitsbeamte und versuchte, den Bauch einzuziehen. «Von den Notausgängen mal abgesehen, müssen alle an mir vorbei.»
    «Danke», sagte Nava. «Dann muss ich sie wohl verpasst haben.»
    Nava ging durch die Drehtür wieder hinaus, überquerte die Straße und kaufte sich an einem Kiosk eine Schachtel Parliament. Sie behielt das Gebäude im Blick und zog sich eine Zigarette heraus. Als das Nikotin in ihren Blutkreislauf strömte, ließ sie die Gedanken schweifen. Sie wusste, sie würde lange warten müssen, aber das machte Nava nichts aus. Sie hatte Testperson Alpha gefunden.
    Letzte Zweifel waren verflogen, als Nava die billige Perücke unter Julias Baseballkappe sah. Das passte ins Bild. Wenn Tversky kontinuierlich Julias Gehirnströme maß, würde er die Elektroden immer an den gleichen Stellen ansetzen wollen. Und dazu rasierte man ihr am besten eine Glatze.
    Wenn Julia das Labor verließ, würde Nava ihr folgen, sie zwingen, in den Lieferwagen einzusteigen,

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