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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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Nein, sie durfte Petey nicht enttäuschen. Sie waren schon so weit gekommen – sie durfte nicht ohne eine Antwort gehen. Sie musste sich konzentrieren. Ihr umwölkter Verstand versuchte zu gehorchen, aber es gelang ihm nicht; verzweifelt haschte sie nach der Frage, die sie hierher geführt hatte. Und dann konnte sie es sehen   … und da wusste sie es.
    …
    Es ist mehr als nur mannigfaltig und verschlungen, denn es ist grenzenlos. Es ist die Ewigkeit, die sich gleichzeitig in alle Richtungen erstreckt, ein derart gewundener Pfad, dass er einer Ebene gleichkommt. Aber diese Ebene ist es nicht allein – an jeden der Quadrillionen Knotenpunkte, aus denen die Oberfläche besteht, knüpfen sich weitere Ebenen, erstrecken sich in unmöglichen Winkeln, winden und drehen sich, biegen sich immer und immer wieder und kommen schließlich auf sich selbst zurück.
    …
    Julia schrie. Ein alle Gedanken betäubender Schmerz erfüllte ihr Wesen. Ihr Rücken beugte sich, als sie den Kopf hochriss und ihn dann auf den Boden knallen ließ. In diesem Moment hörte sie die Stimme. Sie kannte die Stimme aus einer anderen Zeit. Es war eine unter den Billionen Stimmen, die sie nun kannte, diese aber kannte sie auf eine andere Art.
    Die Stimme flüsterte ihr etwas zu. Sie versprach ihr, dass sie sie gehen lassen würde, wenn sie nur einen kleinen Ausschnitt der großen Unendlichkeit schaute. Nur einen kleinen Ausschnitt, und dann wäre alles vorbei. Nur einen kleinen Ausschnitt.
    …
    Also sieht sie hin. Da alles überall ist, ist es auch dort, wohin sie schaut. Es von allem anderen zu unterscheiden ist die Schwierigkeit. Und dann sieht sie es, direkt vor sich   … aber es ist nichts Einzelnes, eher eine Million, eine Milliarde. So vieles ist gleich, aber so vieles ist auch unterschiedlich, vom Größten bis hin zum Allerkleinsten.
    Sie könnte tausend Bücher über das
Jetzt
schreiben, das sie kennen lernen will. Doch dafür ist keine Zeit. Keine Zeit   … seltsam. Hier gibt es tatsächlich keine Zeit, aber in dem
Jetzt
, aus
dem sie kommt, weiß sie, dass ihre Zeit abläuft. In jenem
Jetzt
bleibt ihr gerade noch genug Zeit, ihm zu sagen, was er tun soll.
    …
    Julia hob den Kopf, um ihre Botschaft auszusprechen. Ihre Stimme war schwach. Petey beugte sich mit seinem Ohr so nah über ihren Mund, dass seine Haare ihr Gesicht kitzelten. Und während sie sprach,
    …
    sieht sie, wie sich die Ebenen auf sie zu bewegen, wie alles sich ändert. Und schließlich ist es das
Immer
, das sich verändert, umgestaltet, um sich ihren Worten anzupassen, und das raubt ihr endgültig den Verstand. Es ist ein unerträglicher Anblick: Das
Immer
entwickelt sich vor ihren Augen, und sie steht im Mittelpunkt. Es ist zu viel, zu viel, zu viel   …
    …
    Julia spürte, wie sie ausatmete, und sie dachte, nein, sie dachte nicht, sie wusste –
    …
    denn sie kann sich jetzt sehen, im Mittelpunkt des
Immer
– dass ihre Zeit fast abgelaufen ist.
    …
    Sie musste aushalten. Es gab für sie noch so viel zu tun. Sie hoffte, die Zeit dafür zu haben. Und dann,
    …
    weil Julia es wünscht, zeigt sie ihr, wie sie es in die Tat umsetzen kann.
    …
     
    Julia erschlaffte in seinen Armen, und Tversky zitterte. Er tastete nach ihrem Puls. Ihr Herz schlug noch. Schwach, aber immerhin. Er zog ihr ein Augenlid hoch, dann das andere, sah aber nur das Weiße. Julia hatte die Augen nach oben gerollt. Er gab ihr leichte Ohrfeigen,damit sie wieder zu Bewusstsein kam, wusste aber, dass es sinnlos war.
    Jeder Instinkt verriet ihm, dass sie im Sterben lag. Er legte sie zurück auf den Tisch und schloss die EE G-Elek troden wieder an, die sich bei ihrem Sturz gelöst hatten. Erst dachte er, die Elektroden wären beschädigt, aber dann dämmerte ihm die Wahrheit: Es war keine Hirnaktivität mehr messbar. Nichts. Das Bewusstsein, das Julia Pearlman gewesen war, hatte sich aufgelöst; ihr Herz schlug noch schwach, aber ihr Geist war zerstört.
    Tversky sah sich verzweifelt im Labor um, überlegte, was er tun sollte. Er wollte sich setzen und tief durchatmen, wusste aber, dass ihm dafür keine Zeit blieb. Wie sollte er das erklären? Kalter Schweiß brach ihm aus, und er begann zu hyperventilieren.
    Er sah auf die Uhr an der Wand – 23.37   Uhr. Die Putzkolonne kam um Mitternacht hier durch – nur noch 23   Minuten. Er musste nachdenken. Er konnte einen Krankenwagen rufen. Sie lebte noch; vielleicht war sie noch zu retten. Doch mit einem Blick auf Julia wurde ihm klar,

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