Null
noch einmal ihre letzten Worte hören konnte. Er drehte die Lautstärke auf. Vor dem Rauschen des Videobands klang ihre Stimme, die nurmehr ein Flüstern war, unheimlich. Sie sprach genau drei Minuten und zwölf Sekunden lang, und ihr Sprechtempo beschleunigte und verlangsamte sich, so als würde sie Achterbahn fahren.
Einiges war gänzlich unverständlich, anderes war unglaublich klar und enthielt genaue Anleitungen für jedes denkbare Szenario. Nachdem er es sich sechsmal angesehen hatte, schaltete er den Fernseher ab. Im Zimmer war es plötzlich still, aber die ersten Worte der Testperson Alpha erfüllten in dieser Stille seinen Geist.
Töte ihn. Töte David Caine.
Er hatte gehofft, ihre Instruktionen würden sich als etwas anderes erweisen, als sie im ersten Moment erschienen waren. Doch nachdem er sich nun ihr heiseres Flüstern immer wieder angehört hatte, ließ es sich nicht mehr bestreiten. Wenn er das Wissen erlangen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als das zu tun, was sie von ihm verlangt hatte.
Er wankte zu seinem Schreibtisch und wählte sich ins Internet ein. Als die Startseite von Google geladen war, gab er unter dem bunten Logo seine Suchanfrage ein. 0,63 Sekunden später zeigte der Bildschirm die zehn ersten von 175 000 Treffern an. Er klickte, wie von Julia angewiesen, auf den siebten Link. Auf der Startseite stand:
Tversky klickte schnell auf den Hyperlink. Das Bild wurde geladen, und er begann zu lesen.
Nava warf sich auf ihren schwarzen Aeron-Stuhl, der wippend nachgab. Sie knipste die Schreibtischlampe an, die ihren Arbeitsplatz in sanftes weißes Licht tauchte und Schatten auf das übrige abgedunkelte Büro warf.
Sie drückte den Daumen auf die rechteckige Glasscheibe. Licht blitzte auf, und ihr Daumen leuchtete rosa. Auf dem Flachbildschirm erschienen zwei Worte.
Sie war drin. Sie machte sich nicht die Mühe, die letzten heruntergeladenen Daten von Tverskys Laptop zu lesen. Vielmehr startete sie das Programm «Phone Book».
Mit diesem Programm hatte man Zugriff auf sämtliche Datenbanken der Bundesregierung, auch auf die der CIA, des FBI, der Sozialversicherung, der Einwanderungsbehörde und natürlich der Finanzämter. Wenn es den Mann, von dem Julia Pearlman gesprochen hatte, gab, würde Phone Book es ihr verraten.
Da Nava sich nicht sicher war, wie sein Name geschrieben wurde, gab sie mehrere Varianten ein:
Sie drückte auf «Enter» und wartete, während der Rechner die Datenbanken abfragte. Sie musste nicht lange warten.
Nava konzentrierte sich auf den zweiten und den vierten Treffer, da beide Adressen keine sechs Blocks von der Columbia University entfernt waren. Sie klickte auf «Cain, David P.», wartete kurz, und dann füllte sich der Bildschirm mit Informationen. Nava überflog die Daten, suchte nach irgendetwas, das ihr bekannt vorkam, fand aber nichts. Nur einen Durchschnitts-New-Yorker mit einer zu teuren Wohnung und viel zu viel Schulden.
Sie übersprang den nächsten Treffer und klickte auf «Caine, David T.». Mit großen Augen sah sie, dass er an der Columbia eingeschrieben war. Das musste der sein, von dem Julia gesprochen hatte. Sie starrte auf sein Passbild. David T. Caine starrte zurück, und der Anflug eines Lächelns spielte um seine Mundwinkel, so als wüsste er, dass sie ihn gerade ansah.
Sie ging seine Daten durch und prägte sie sich ein. Als sie damit fertig war, kehrte sie noch einmal zu dem Foto zurück.
«Warum sind Sie so wichtig, Mr. Caine?», fragte sie und wünschte, sie hätte mehr Zeit mit Julia gehabt. Plötzlich hörte sie leise Schritte. Da kam jemand. Es gelang Nava gerade noch rechtzeitig, das Fenster auf ihrem Bildschirm zu schließen, da tauchte Grimes aus der Dunkelheit auf. Er biss in einen Granny Smith und setzte sich ihr gegenüber. Kauend schenkte er ihr ein gelbliches Lächeln.
«Ollnsiema abbeihen?», fragte er und hielt ihr den Apfel hin.
«Nein, danke», sagte Nava und versuchte, ihren Widerwillen zu verbergen. «Ich habe schon gegessen.»
Seine Wangen blähten sich, und dann schluckte er vernehmlich. «Wie Sie wollen», sagte er. Er biss noch einmal herzhaft zu, lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch.
«Kann ich Ihnen irgendwie helfen?», fragte Nava.
«Vielleicht. Wer weiß?», antwortete Grimes mampfend.
Der Typ war unglaublich. «Dann frage ich anders: Was wollen Sie?»
«Nichts. Ich bin bloß noch im Büro, so wie Sie, und wollte mal hallo sagen.»
«Hallo»,
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