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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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quietschenden Ratten, die ihr aus dem Weg huschten.
    Dann sah sie die Frau. Sie war nackt und kahlköpfig. Ihre Gliedmaßen waren in widernatürlichen Winkeln gebogen, was sie wie eine Schaufensterpuppe aussehen ließ. Das einzige Anzeichen dafür, dass sie einmal lebendig gewesen war, war die klaffende Bauchwunde, aus der immer noch Blut lief.
    Nava drehte vorsichtig den Kopf der Toten herum. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, aber es gab keinen Zweifel, wer sie war. Julia Pearlman   – Testperson Alpha. Navas Mut sank. Eine zweite verpatzte Lieferung würde die RDEI nicht hinnehmen. Ohne Testperson Alpha würdeman Nava töten oder dem russischen Geheimdienst ausliefern.
    Nava bekam Gewissensbisse, als ihr klar wurde, dass sie keine Sekunde lang innegehalten hatte, um über den Tod des armen Mädchens zu trauern. Wie war dieser ganze Mist zu erklären? Seit wann war sie so kaltherzig, dass sie nur noch an sich selber dachte? Doch selbst während sie sich diese Fragen stellte, arbeitete der Teil von Navas Hirn, der der Selbsterhaltung gewidmet war, weiter und suchte verzweifelt nach einem Ausweg.
    Sie nahm ein Taschentuch, wischte damit über Julia Pearlmans Wunde und wickelte es dann in ein Stück Plastikfolie, das sie von einem Müllsack abgerissen hatte. Vielleicht würde sich die RDEI mit dieser Blutprobe zufrieden geben, bis ihr etwas anderes einfiel. Dann hörte sie ein Geräusch, bei dem ihr buchstäblich das Herz stockte.
    Das tote Mädchen sagte etwas.
     
    Julia sagte, was sie zu sagen hatte.
    Jetzt war endlich Zeit zu ruhen.
    Jetzt
. Das Wort ging ihr immer wieder durch den Sinn. Es kam ihr so dumm vor. Sie wusste noch, wie wichtig ihr das alles vorgekommen war, aber das war nun vorbei. In 3,652   Sekunden würde es kein
Jetzt
mehr geben. Nur das reine, schöne
Immer
. Und im
Immer
gab es keinen Gestank. Wenn auch für nichts sonst – dafür war sie dankbar.
    Julia nahm noch einen letzten Atemzug und schlug die Augen auf.
     
    Caine hatte in nicht einmal vier Stunden 360   Dollar gewonnen – fast hundert mehr als die geplanten 267.   Ihm war klar, er hätte aufstehen und gehen sollen, aber er konnte einfach nicht. Vielmehr redete er sich den üblichenQuatsch ein: dass er gerade eine Glückssträhne hatte, dass er aufhörte, sobald er schlechte Karten kriegte (die älteste Zockerlüge der Welt).
    Doch dann verlor er bei der nächsten Partie einen Achtzig-Dollar-Pott. Seine drei Zehnen wurden beim River von einer Straße geschlagen. Und dann tat er genau das, was er sich geschworen hatte, nicht zu tun: Er verlor die Beherrschung. Er war so sauer darüber, dass ihm die achtzig Dollar durch die Lappen gegangen waren, dass er sich bei den nächsten fünf Partien weigerte zu passen, obwohl er nur Schrottblätter auf die Hand bekam. Ihm war klar, dass er beschissen spielte, aber er konnte einfach nicht aufhören. Sein Chipsberg, der sich im Laufe von Stunden zurückhaltenden Spiels aufgehäuft hatte, löste sich binnen dreißig Minuten in Luft auf.
    Nachdem er auch noch sein letztes Geld verloren hatte, stand Caine wortlos auf und ging. Draußen auf der kalten Straße stopfte er sich die Fäuste in die Taschen, um sie warm zu halten. Der Zwanzigdollarschein, der ihm noch geblieben war, rieb an seinen Fingerknöcheln, verhöhnte ihn. Caine war überhaupt nicht danach, ihn dafür zu nutzen, wofür er eigentlich bestimmt gewesen war: sich zu betrinken.
    Vielmehr ging er auf Umwegen nach Hause und gab sich auf dem zweistündigen Fußmarsch der Kälte hin. Wie hatte er so unglaublich dumm sein können? Reichte es denn noch nicht, dass er Nikolaev zwölftausend Dollar schuldete? Musste er auch noch seine letzten vierhundert Dollar verzocken?
    Caine fragte sich, ob Peter wohl noch irgendwelche anderen Studien betrieb, an denen er teilnehmen konnte.
     
    Vor dem Haus, in dem sein Bruder wohnte, sah Jasper schon zum fünften Mal in dieser Minute auf seine Armbanduhr:Das Digitaldisplay zeigte 12   :   19   :   37.   Es war sieben Stunden her, dass David zu dem Pokerclub gegangen war. Die Stimme sagte, dass er bald wiederkommen würde. Jasper hatte seine Waffe mitbringen wollen, aber die Stimme hatte das abgelehnt, und also hatte er sie auf dem Couchtisch liegen lassen.
    Er sah wieder auf seine Armbanduhr, und diesmal stand das Display auf Punkt 12.20   Uhr. Es war fast so weit. Trotz der Kälte schwitzte Jasper heftig, wappnete sich für die Schläge, die er gleich einstecken würde. Er hatte auch früher schon

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