Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
Vom Netzwerk:
keine Schlenker fährt.»
    «Wolff hat es untersagt. Er meint, es wäre zu gefährlich.»
    «Hier zu bleiben scheint mir ebenfalls von Minute zu Minute gefährlicher zu werden.» Marshall sah sie an. «Würden Sie mitfahren? Wenn Carradine grünes Licht erhielte, meine ich?»
    «Kommt ganz darauf an, was Emilio tut.»
    «Sie schulden ihm nichts. Abgesehen davon weiß ich inzwischen, was Sie in Wirklichkeit von ihm denken.»
    «Was
ich
in Wirklichkeit von ihm denke?»
    «Sie haben heute Morgen nicht gerade ein Geheimnis daraus gemacht.»
    Kari lächelte reumütig. «Ich kann nicht abstreiten, dass er ein richtiges Arschloch ist. Aber das gilt für die meisten Regisseure, mit denen ich bisher gearbeitet habe. Man braucht ein aufgeblasenes Ego, wenn man etwas so Großem und Komplexem wie einer Dokumentation, die zur Hauptsendezeit ausgestrahlt werden soll, seinen Stempel aufdrücken will. Abgesehen davon habe ich nicht bei Conti unterschrieben – ich habe bei der Show unterschrieben. So funktioniert das in diesem Geschäft. Ich bin der Field Producer. Ich bleibe vor Ort bis zur letzten Klappe.»
    Marshall erwiderte ihr Lächeln. «Sie sind eine sehr mutige Frau.»
    «Eigentlich nicht. Höchstens eine sehr ehrgeizige.»
    Marshall wurde gewahr, dass jemand neben ihm stand. Er blickte zur Seite und bemerkte, dass Professor Jeremy Logan sie beobachtet hatte.
Er mag ja ein Gelehrter sein
, sinnierte Marshall,während er ihm zunickte,
aber ich bin noch nie einem Professor wie ihm begegnet
.
    «Es tut mir leid, wenn ich störe», sagte Logan. «Ich hatte gehofft, mich auf ein paar Worte mit Dr. Marshall unterhalten zu können.»
    «Kein Problem. Ich muss sowieso los, um die Filmcrew zu beruhigen. Wir reden später weiter, Evan.» Und mit diesen Worten ging Kari Ekberg davon.
    Marshall wandte sich zu Logan um. «Was gibt’s denn?»
    «Eine ganze Menge, würde ich sagen. Suchen wir uns einen Ort, wo wir ein wenig ungestörter sind, wo wir uns unterhalten können.» Mit diesen Worten drehte sich Logan um und bewegte sich zum Ausgang.

31
    Marshalls Labor war nicht mehr als ein halbes Dutzend Türen vom Einsatzraum entfernt, und trotzdem schien der Weg dorthin eine Ewigkeit zu dauern. Immer wieder musste Marshall an die zerrissene, leblose Gestalt von Josh Peters denken und an den tobenden Ken Toussaint mit den wilden Augen. Er musste sich zusammenreißen, um nicht ständig über die Schulter nach hinten zu sehen.
    In seinem Labor angekommen, nahm Marshall das MID I-Keyboard vom Besucherstuhl, winkte Logan, Platz zu nehmen, und schloss sorgfältig die Tür. Dann setzte er sich selbst auf den Labortisch.
    «Ungestört genug für Ihren Geschmack?», fragte er.
    Logan sah sich um. «Es wird reichen», sagte er und zögerte.«Ich habe gehört, was passiert ist. Wie nehmen die Leute es auf?»
    «Unterschiedlich. Viele haben Angst, große Angst. Einige stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Eine Frau von der Maske wurde hysterisch und musste mit Beruhigungsmitteln versorgt werden. Wenn dieser Sturm nicht bald vorübergeht …» Marshall schüttelte den Kopf. «Die Leute wissen nicht, was sie glauben sollen, sie wissen nicht, was vor sich geht – und das ist wahrscheinlich das Schlimmste von allem.»
    «Was denken Sie darüber? Sie und die übrigen Naturwissenschaftler, meine ich. Ich habe so ein Gefühl, als wären Sie auf einer Spur … und ich muss wissen, was für eine Spur das ist.»
    Marshall musterte ihn nachdenklich, bevor er antwortete. «Ich sage Ihnen, was ich
nicht
glaube. Ich glaube nicht, dass ein Mensch Peters so zerrissen haben könnte. Und ich glaube auch nicht, dass ein Polarbär Toussaint kopfüber an einen Haken gehängt hat.»
    Logan schlug ein Bein über das andere. «Damit bleibt ja wohl nicht mehr viel, oder?»
    Marshall zögerte, doch dann rief er sich ins Gedächtnis, dass Logan ihn bereits ins Vertrauen gezogen und ihm erzählt hatte, dass er hier war, um das Rätsel der gestorbenen Wissenschaftler zu lösen. «Faraday hat eine Theorie», begann er nach einem Moment.
    In knappen Worten umriss er, was Faraday ihm erklärt hatte: die einzigartigen physikalischen Eigenschaften von Eis-XV, die Möglichkeit, dass die Kreatur im Eis schockgefrostet worden war, die – wenn auch winzige – Chance, dass sie nicht tot gewesen war, sondern in einem kryogenischen Kälteschlaf lebendig überdauert hatte.
    Logan lauschte aufmerksam, und Marshall bemerkte, dass der Historiker dabei nicht ein einziges Mal skeptisch aussah.

Weitere Kostenlose Bücher