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Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Titel: Nummer Drei: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Lake
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Abdirashid alles versteht, aber ich glaube, das spielt eigentlich keine Rolle. Wichtig ist, dass ich über Farouz rede, über seinen Bruder.
    Als ich geendet habe, sieht er mich eine Weile ruhig an.
    »Ich helfe dir«, sagt er. »Habe Geld.«
    Etwas Absurderes habe ich nie gehört. Ich weiß zuerst nicht einmal, was ich antworten soll. Ja, er hat das Geld, aber es gehört meinem Dad oder der Bank, was mehr oder weniger auf das Gleiche hinausläuft. Und jetzt will mir der Bruder eines Piraten, der uns mit Waffengewalt als Geiseln genommen hat, einen Teil davon zurückgeben!
    »Schon gut«, wehre ich ab. »Keine Sorge, ich brauche kein Geld, danke. Ich wiederhole die Abschlussprüfung, und dann gehe ich aufs College.«
    »Abschlussprüfung? College?«
    Ich tue so, als würde ich auf meiner Geige spielen.
    »Lernen«, erkläre ich. »Weiterlernen.«
    Abdirashid versteht und nickt. Er blickt zum dämmerigen Himmel über London hinaus. Die ersten Sterne gehen auf. Er zieht eine Zigarettenpackung aus der Tasche und schnippt mit dem Fingernagel unter den Boden. Wie bei einem Zaubertrick fliegt ihm eine Zigarette zwischen die Finger. Er zündet sie an und bietet mir die Packung an.
    »Nein danke, ich rauche nicht.«
    Erst als ich die Worte ausspreche, merke ich – es stimmt.
    Abdirashid öffnet den Mund und will etwas sagen, schließt ihn wieder. Er denkt nach.
    »Farou z … war glücklich?«, fragt er schließlich. »Vorhe r … bevor gestorben is t ?«
    Ich denke an den Abend, als ich in Farouz’ Armen gelegen und innerlich glühend zu den Sternen hochgeblickt habe.
    Ich denke an sein Lachen.
    An die Sterne, die er mir gezeigt hat, an seine Begeisterung.
    Es freut mich, dass diese Frage so leicht zu beantworten ist. Abdirashid hätte andere Fragen stellen können, mit denen ich Schwierigkeiten gehabt hätte.
    Ich nehme seine Hand.
    »Ja«, antworte ich.
    Dies kann ich mit Sicherheit sagen, weil ich es weiß. Als ich es ausspreche, als ich es bestätige, scheint es mir, als sei von Abdirashids Schultern eine große Last genommen worden, denn er richtet sich ein wenig auf.
    Es ist schon seltsam. Man behauptet immer, Magie existiere nicht, aber sie existiert und ist allgegenwärtig. Wir wenden sie jeden Tag an – den Zauber des Verzeihens und des Danks. Abdirashid hat Farouz einen Zauber auferlegt. Er hat seinem jüngeren Bruder das Leben gerettet und ein magisches Band der Eintracht geknüpft, das Farouz erst mit dem Tod abstreifen konnte, und dadurch hat er umgekehrt Abdirashid gerettet. Ich glaube, Abdirashid weiß das, und dies erklärt, warum eine solche Last auf seinen Schultern lag.
    Aber ich habe ihm gerade einen anderen Zauber gezeigt: wie man weitermacht, wie man trotz allem weitergeht, und vor allem dafür ist er mir dankbar.
    »Ja«, bekräftige ich. »Er war glücklich.«
    Am Morgen des Austauschs plätschert in der Dusche der Jacht das Wasser über meine Haut.
    »Aus der Zeit vor dem Krieg?«, fragt Farouz. »Eine Geschichte über mich und meinen Bruder?«
    »Ja«, sage ich.
    »Na gut, na gut, ich habe eine Geschichte. Es hat sich zugetragen, bevor wir Mogadischu verließen. Es könnte neunzehnhundertneunzig oder neunzehnhundertneunundachtzig gewesen sein. Ich glaube, ich war sechs Jahre alt.«
    Ich schließe die Augen und höre Farouz zu, der nachdenklich und ruhig erzählt. Das Shampoo schäumt zwischen meinen Fingern.
    »Wir wussten, dass die Rebellen vorrückten«, sagt er. »Sogar wir Kinder wussten Bescheid, aber wir dachten lieber nicht daran. An meiner Schule gab es ein Konzert. Das Orchester spielte für die Eltern, die alle gekommen waren, und einige Kinder, die besonders gut spielen konnten, durften auch allein auftreten. Ich war eins dieser Kinder. Eigentlich konnte ich gar nicht so gut spielen, denn ich war erst sechs. Aber mein Vater war Musikprofessor und hatte mich von klein auf zum Musizieren angehalten, und daher war ich wohl besser als die meisten anderen in meinem Alter. Abdirashid sollte eigentlich Klavier lernen, aber er war rebellischer als ich und hatte schon wieder aufgehört.
    An diesem Tag sollte ich beim Konzert mit meiner Oud ein einfaches Stück vortragen. Ich weiß nicht mehr, was es war, ich war ja noch so jung. Vielleicht irgendein Volkslied.
    Aber ich hatte Angst, Amy. Ich wollte nicht ganz allein auf der Bühne vor den vielen Leuten spielen. Es war ein heißer Tag, und als wir den Saal betraten, schwitzte ich. Meine Eltern waren natürlich auch dort, aber ich erinnere mich

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