Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
sie dem guten Stück hinterher. »Es ist ja so schön, wenn man sich gegenseitig ein wenig helfen kann, nicht wahr?«
»Ja, natürlich«, antwortete ich unbehaglich.
»Schließlich«, meinte Fay, als sie mir meine Gehhilfe in die froststarre Hand drückte, »revanchiere ich mich ja nur.« Ihre großen Augen sahen ernst - viel zu ernst - zu mir auf. »Es tut mir so leid, dass ich Ihnen nicht vor dem heutigen Tag dafür danken konnte, dass Sie mir das Leben gerettet haben.«
»Sehen Sie mal, es tut mir ja herzlich leid, aber ich glaube nicht, dass das stimmt.« Wieder hatte ich das Kreischen von Metall auf dem Straßenbelag im Ohr. »Sie müssen mich verwechseln.«
»Nein, Maggie.« Sie starrte mir weiter in die Augen. »Sie waren es. Bestimmt. Die vom Rettungsdienst haben’s mir gesagt. Sie haben auf Sie gezeigt. Und jetzt haben Sie mir gerade wieder geholfen, da drinnen.« Sie deutete auf das Fernsehstudio. »Jetzt bin ich Ihnen wirklich etwas schuldig.«
»Nein, ganz ehrlich: Bemühen Sie sich nicht.« Ich hoppelte die Stufen hinunter, so schnell mein verletztes Bein dies zuließ. »Ich gehe wohl besser … das Taxi wartet … auf ein andermal dann …«
Ein metallicfarbener Wagen mit abgedunkelten Scheiben hupte gebieterisch auf der anderen Straßenseite.
»Das ist für mich«, meinte Fay und lächelte verträumt. »Ich wollte nur sagen« - leichten Schrittes sprang sie die Stufen hinunter -, »dass wir uns mal treffen sollten. Finden Sie nicht? Geben Sie mir doch Ihre Nummer.«
Genervt wandte ich mich ab, doch sie schien gar nicht zu merken, dass ich nicht annähernd so begeistert war wie sie. »Einige von uns wollten eine Selbsthilfegruppe gründen. Es wäre toll, wenn Sie dabei sein könnten, Maggie. Sie wären eine echte Hilfe.«
Fay war mir jetzt ganz nahe. Sie drang in meinen persönlichen Raum ein und starrte mir erneut ins Gesicht. War dieses Mädchen immer so euphorisch? Ich war am Rande der Erschöpfung. Wie sollte ich ihr erklären, dass allein der Gedanke an eine Selbsthilfegruppe mir den Angstschweiß auf die Stirn trieb? Und dann gar noch eine Gruppe, in der es nur um die Erlebnisse jener schrecklichen Nacht ging. Der silberfarbene Wagen hupte erneut. Fay winkte mir mit ihrer kleinen Hand zu, und die perlmuttfarbenen Nägel blitzten auf.
»Ich komme!« Sie drehte sich nochmals zu mir um. »Hier, ich gebe Ihnen mal meine Nummer.« Sie kramte in ihrer paillettenbesetzten Handtasche, die von ihrem Gipsarm baumelte. Dann reichte sie mir eine pink leuchtende Visitenkarte.
»Fay Carter - Ultimative Unterhaltung« stand da in schwarzen, fließenden Buchstaben. Darunter schien eine winzige Figur mit enormer Oberweite in die Luft zu springen.
»Ich habe sie mir machen lassen, als ich erfuhr, dass ich zur Show eingeladen werde. Sind sie nicht toll? Rufen Sie mich doch an. Nur nicht so schüchtern. Wissen Sie«, meinte sie und drückte dabei meine Hand so stark, dass ihr Diamantring mir ins Fleisch schnitt, »ich habe das Gefühl, dies ist der Anfang von etwas ganz Wunderbarem. Etwas wirklich Großem.« Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste mich auf beide Wangen. »Wissen Sie, was ich meine? Übrigens: Das mit Ihrem Freund tut mir leid. Charlie hat’s mir erzählt.«
Ich stand da und starrte sie sprachlos an. Ihre kleine Gestalt bahnte sich ihren Weg über die viel befahrene Grays Inn Road, nach links und rechts Handzeichen machend. Die Bauarbeiter auf dem Gerüst vor dem Café Buena sahen ihr bewundernd nach, ein Mann im weißen Lieferwagen hupte anerkennend.
Auf der anderen Straßenseite drehte Fay sich noch einmal um und winkte mir zu, bevor sie die Wagentür öffnete. Ich sah, wie ein blond gefärbter Haarschopf mit mindestens einem Pfund Gel sich über den Beifahrersitz beugte, um ihr mit der Tür zu helfen. »Bis bald«, formten ihre Lippen noch, bevor ein Lastwagen mir die Sicht versperrte. Als er weg war, war auch Fays Wagen verschwunden.
Als mir der Taxifahrer auf den Rücksitz seines Wagens half und dabei über den Verkehr in der City schimpfte, bemühte ich mich zwar, passende Antworten zu geben, doch tief in mir spürte ich ein deutliches Unbehagen, das immer stärker wurde. Ich war mir sicher, dass ich von meiner neuen Freundin noch öfter hören würde.
Kapitel 4
Ich lag im Bett, als die Blumen kamen. Zwei Tage nach der Show schämte ich mich noch immer, sodass ich mich vor der Welt verbarg. Sally hatte mich angerufen und mir versichert, dass alles super war,
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