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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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brauchte ganze zehn Minuten, um das Hosenbein meines Trainingsanzugs über das Gipsbein zu bekommen, nur um am Ende feststellen zu müssen, dass ich ihn verkehrt herum angezogen hatte. Da läutete die Türglocke erneut. Aus irgendeinem Grund standen mir die Haare zu Berge. Irgendjemand hielt seinen Finger auf den Klingelknopf gepresst.
    »Habt doch Erbarmen mit einem armen Krüppel«, seufzte ich und hielt mich am Treppengeländer fest. Digby kam angerannt und hätte mich fast umgeworfen. Dann riss ich die Tür auf. Das Läuten hatte mittlerweile aufgehört.
    »Haben Sie herausgefunden, von wem die Blumen sind?«
    Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. »Oh!«
    Es war Fay, die in dem eleganten, weiten Webpelzmantel fast verschwand.
    »Überraschung!«, rief sie. »Ich komme nur, um zu sehen, wie es Ihnen geht.« Und schon war sie im Haus. Sie war einfach unter meinem Arm hindurchgetaucht. Unaufgefordert. Digby verzog sich. »Feigling«, zischte ich ihm hinterher.
    »So schöne Blumen«, rief sie aus, weil sie schon in der Küche war, wo ich den Strauß in das Spülbecken gestellt hatte. »Ein neuer Freund?«
    »Nein.« Ich humpelte hinter ihr her. »Nein. Ich habe keinen … Fay, hören Sie mal …«
    »Was? Sie sind immer noch Single?«, meinte sie überrascht und sah mich mit ihren großen Augen mitleidig an. »Na, da müssen wir aber etwas dagegen unternehmen, oder?«
    »Müssen wir?«, fragte ich dummerweise.
    Sie lächelte geduldig.
    »Fay.« Ich war so höflich, wie ich nur konnte. »Wie haben Sie herausgefunden, wo ich wohne?«
    »Ach, das wissen Sie doch.«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    Sie tat so, als denke sie nach, wobei sie ihren kleinen Finger auf das spitze Kinn legte. »Nun, jetzt, wo Sie mich fragen: Ich kann mich auch nicht mehr so genau erinnern. Vom Krankenhaus vielleicht.«
    Ich runzelte die Stirn. »Was? Die haben Ihnen dort meine Adresse gegeben? Einfach so?«
    »Nein, vermutlich nicht.« Sie zuckte mit ihren zierlichen Schultern. Der Mantel teilte sich und gab den Blick auf ein nicht ganz dem Anlass entsprechendes Kleid frei. Spitze. Und viel, viel Haut. Ich sah weg. »Vielleicht hab ich’s ja aus Renee deckt auf .«
    »Wissen Sie, normalerweise wohne ich gar nicht hier. Ich lebe …« Wieso schien dies plötzlich so unwichtig? »Ich lebte am Borough Market«, beendete ich müde den Satz. »Das hier ist das Haus meines Vaters.«
    »Dabei ist der Borough Market wirklich fabelhaft, nicht wahr? So richtig ›Altee Weelt‹.« Affektiert zog sie das »e« in die Länge. »Sie Glückliche. Man hat mich übrigens ein zweites Mal eingeladen.«
    Ich sah sie verständnislos an.
    »Zur Show.« Ihre Augen funkelten.
    Mir aber wurde ganz flau. »Ach ja?« Ich stützte mich am Küchentisch ab. Jetzt tat mir das Bein richtig weh. »Super. Das ist ja toll für Sie.«
    Fay streunte durch die Küche und nahm alles in die Hand, was sie interessierte. Nach einem prüfenden Blick legte sie es wieder weg. »Ich weiß … ist toll, nicht? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass dies der Anfang von etwas Großem ist.« Sie hatte nach einem Foto meiner Mutter gegriffen, das sie als Schwangere zeigte, reif wie ein Pfirsich. Ihr leuchtend rotes Haar fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern der gesmokten Paisleybluse. Sie lächelte und schien glücklich, wie sie mich da im Bauch trug.
    »Entschuldigen Sie, Fay, aber würden Sie vielleicht …«
    »Wer ist denn das? Ihre Mutter? Ist sie nicht hübsch? Sie sind ihr wirklich sehr ähnlich.« Dann nahm sie ein anderes Foto, das mich mit meiner Großmutter zeigte. »Und das? Ist das Ihre Oma? Sie hat dieselben blauen Augen wie Sie.«
    »Ja. Gar. Wir nennen sie Gar.«
    »Sie lebt noch? Haben Sie ein Glück. Meine Verwandten sind entweder tot oder leben auf der anderen Seite des Erdballs.«
    »Sie ist in einem Heim, hier in der Nähe.« Ich fühlte mich wie von einer Dampfwalze überrollt. Eigentlich wollte ich dieser Fremden gar nichts über mich erzählen, aber irgendwie schaffte sie es trotzdem.
    »Nett.« Sie knallte das Bild auf die Anrichte, allerdings so hart, dass die darunterstehenden Tassen bebten. »Wissen Sie, einige Menschen meinten nach der Show, Sie und ich sähen einander ähnlich.«
    »Wirklich?«
    »Ja, wirklich. Obwohl es doch eigentlich genug Unterschiede gibt!« Kichernd rollte sie mir eine ihrer schwarzen Locken entgegen. »Außerdem sind Sie ja so groß, Sie Glückliche! Vielleicht sind es unsere Augen. Obwohl Ihre eigentlich mehr kornblumenblau sind

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