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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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als meine.«
    Verlegen sah ich weg. »Vielleicht.«
    »Na ja, ist ja auch egal. Vermutlich fragen Sie sich ohnehin schon, wieso ich überhaupt hier bin.«
    Erleichtert atmete ich auf. Wenigstens schien sie zu bemerken, dass all das nicht ganz normal war. »Ja, das habe ich mich tatsächlich gefragt.« Zum ersten Mal brachte ich ein echtes Lächeln zustande.
    »Schließlich«, meinte sie kichernd, »ist das hier kein bloßer Anstandsbesuch.«
    »Aha.«
    »Entschuldigung. Nein, wissen Sie, ich habe Ihnen etwas mitgebracht.« Sie kramte in ihrer riesigen Schultertasche und zog einen braunen DIN-A4-Umschlag hervor, den sie mir unterwürfig hinhielt. Dabei fiel mir der Lieblingspriester meiner Großmutter ein, wie er seinen Gläubigen die Hostie reichte. »Ich glaube, das wird Ihnen helfen. Wirklich.«
    Sofort überlief mich ein kalter Schauer. Unschlüssig drehte ich den Umschlag in den Händen. Es widerstrebte mir zutiefst, ihn zu öffnen. Aber ich hatte wohl keine Wahl.
    »Lieber Himmel, Fay!« Ich ließ das Foto fallen. Meine Hände waren klamm. Das Bild segelte auf den Boden. Ich würgte und musste den Anfall von Übelkeit buchstäblich niederkämpfen. »Was zum Teufel ist das?«
    »Oh, Maggie«, sagte sie, als sie mir von unten her gespannt ins Gesicht sah. »Sie haben sich doch nicht erschreckt?«
    »Natürlich habe ich mich erschreckt, verdammt noch mal.« Ich trat einen Schritt zurück. »Was erwarten Sie denn?«
    Sie sah aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen. Ich konnte ihr nicht ins Gesicht sehen. »Ganz ehrlich, Fay. Ich begreife das nicht. Warum bringen Sie mir so etwas?«
    Sie hob das Foto auf und hielt es mir hin, diesmal nicht ganz so sicher wie beim ersten Mal. Ich zog eine Grimasse.
    »Fay. Um des lieben Himmels willen.«
    Aber es war zu spät. Ich hatte das Bild längst gesehen: eine Aufnahme vom Unfallort. Ein Wust aus verbogenen Metallteilen, Koffern und Taschen, die auf der schwarzen, glänzenden Straße lagen. Im Vordergrund ein Paar Schuhe, ein Paar hochhackiger Schuhe, als hätte die Besitzerin sie eben abgestreift, um barfuß im Regen zu tanzen. Ein Stück eines Rettungswagens, dessen blinkende Lichter sich auf der nassen Straße widerspiegelten. Zwei Feuerwehrmänner gehen mit gesenkten Köpfen aus dem Bild. Und da, in der Ecke, ein Paar Füße mit Socken, die zu einem Toten gehören. Zu einem Toten unter einer Decke.
    »Ich finde, Sie sollten jetzt gehen.« Ich ließ mich auf den Tisch sinken. »Ich möchte so etwas nicht sehen. Ich verstehe auch nicht, weshalb Sie das Foto mitgebracht haben. Wo haben Sie es überhaupt her?« Jetzt sah ich ihr ins Gesicht. »Soll das ein Witz sein? Ein schlechter Witz?«
    »Nein, Maggie, gar nicht. Ich versichere Ihnen, dass das nicht so ist.« Sie hielt ihren Mantel eng um sich geschlungen. »Es tut mir leid, wirklich! Ich dachte nur … in der Therapiegruppe, in der ich war, hieß es, es würde helfen, über die Sache hinwegzukommen. Man muss nur lernen, sich der Wirklichkeit zu stellen. Wie der Mann in der Show es sagte.«
    »Welcher Mann?«
    »Der Doktor. Er gab mir sein Buch.«
    »Fernandez? Dieser Quacksalber?«
    »Es tut mir wirklich leid. Ich dachte nicht, dass es Sie so durcheinanderbringen würde.«
    Ich biss mir auf die Zunge. Sie sah so zerknirscht aus, so ungeheuer jung und naiv, dass ich mich sofort beruhigte. »Ist schon in Ordnung, Fay. Es ist nur … ich persönlich will das nicht sehen, okay? Wenn es Ihnen hilft, dann … dann wird es wohl gut sein, nehme ich an.«
    »Es ist nur … wissen Sie, Sie haben mir doch auch geholfen. Und daher wollte ich Ihnen helfen.« Wieder sah sie mich mit diesen merkwürdigen Augen an.
    Ich versuchte, nicht zusammenzuzucken. »Vielen Dank für den Versuch.«
    »Das ist ein hübsches Cottage.« Sie zeigte auf das Foto an der Wand hinter mir. »Sehr hübsch.«
    »Sehen Sie, Fay …«
    »Wo liegt es? Sicher irgendwo am Meer.«
    »Im Norden von Cornwall. Meine Großmutter lebte dort.«
    »Die im Heim?«
    »Ja. Sie … nun, irgendwie gehört es jetzt mir.«
    »Wow! Haben Sie ein Glück.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Jetzt gehe ich wohl besser. Troy erwartet mich.«
    »Das ist schön.«
    Sorgfältig steckte sie das Foto wieder in den Umschlag und strich den Falz glatt. »Obwohl wir … nun, es gibt immer noch Probleme. Zwischen mir und Troy. Ich bin nicht sicher, ob wir … wie heißt das noch gleich … darüber hinwegkommen werden.«
    Wieder schien Dr. Fernandez’ Stimme durch den Raum zu hallen. Widerwillig

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