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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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nächste Ausnüchterungszelle verfrachten. Mühsam drängte ich ein hysterisches Lachen zurück. Es war wirklich Zeit, dass ich nach Hause kam.
    Der Junge sah ein wenig verwirrt drein. »Erinnern Sie sich nicht an mich? Joseph Blake. Ich habe für Sie im Mai Recherchearbeiten gemacht. Wir waren zu zweit. Es war ein Uni-Praktikum.«
    »O Gott, ja, natürlich.« Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Wie dumm von mir.« Ich konnte mich nicht einmal ansatzweise an ihn erinnern - und das machte mir Angst. »Joseph - Joe, nicht wahr?«
    »Nein. Nur Joseph.« Jetzt sah er finster drein. »Sie wissen überhaupt nicht mehr, wer ich bin, oder?«
    »Doch, Joseph, ehrlich. Ich hatte nur einen sehr anstrengenden Vormittag. Bin früh aufgestanden, und das …«, ich fuchtelte mit meiner Krücke, »… ist nicht gerade gut für mein Gedächtnis. Wie …« Ich versuchte mich gezielt auf ihn zu konzentrieren. »Wie geht es Ihnen denn?«
    Er entspannte sich ein wenig. Ein Lächeln flog über sein glattes, rundes Gesicht. Ich war erleichtert.
    »Ganz gut, danke. Und danke für die Empfehlung.«
    Was sollte das nun wieder? »Gern geschehen«, murmelte ich.
    »Nun, jetzt bin ich wieder dabei. Charlie hat mir einen Job gegeben. Genauer gesagt bin ich in der Probezeit. Drei Monate lang.«
    »Super.« Ich lächelte ihn an und versuchte, meine Unsicherheit zu verbergen. Bitte, lieber Gott, hol mich hier raus!
    Die Tür schwang auf, und Charlie kam herein, den Arm um die triumphierende Renee geschlungen. Wunderbar: Hier saß ich also zwischen Scylla und Charybdis. Prost Mahlzeit!
    »Fantastisch, Liebes. Eine fantastische Show. Leonora war buchstäblich Gold wert. Und Fays Tränen. Wahnsinn!« Charlie sah mich, wie ich versuchte, mit dem beigefarbenen Sofa zu verschmelzen. »Ach ja, Maggie, Liebes. Geht es dir besser? Ich sagte dir doch, diese Show würde dir helfen, einen Schlussstrich zu ziehen.«
    Als mir der Junge wieder einfiel, war er verschwunden.
     
    Sally hatte ganz offensichtlich ein schlechtes Gewissen. Sie wollte mit mir auf einen kurzen Drink gehen, doch mittlerweile war mir klar, dass es besser wäre, wieder nüchterner zu werden, wollte ich mich nicht demnächst übergeben. Ich musste etwas essen, mich hinlegen … und was noch wichtiger war: Ich wollte weg von Charlie, und zwar schnell. Und so erzählte ich Sally, dass wir uns ohnehin bald wiedersehen würden. In ein oder zwei Wochen (wenn es nach mir ging, konnten es ruhig vier werden) würde ich wieder zur Arbeit erscheinen.
    Draußen eilten die Menschen vorüber, ich zündete mir eine Zigarette an und seufzte auf vor Erleichterung. Auf der Grays Inn Road hatte der mittägliche Ansturm eingesetzt. Ich hockte ganz oben auf der riesigen Treppe, die zu den Studios führte, und wartete auf mein Taxi. Die Luft war novemberkalt. Ich kuschelte mich in meinen Mantel, hörte aber trotzdem nicht auf zu zittern. Die abgefallenen Blätter der Zierkirschen, die einsam in den Pflanztrögen vor dem Studio standen, wirbelten über meine Schuhe. In den Abfallkübeln lagen leere Pommesschachteln. Der 45er Bus keuchte vorbei und spuckte unter Renees Konterfei seine Abgaswolken aus. Ihr blasiertes Gesicht prangte auf seiner rot leuchtenden Rückseite wie eine riesige Töpferscheibe. Schaudernd wandte ich mich ab. Mein Blick fiel auf einen alten Mann, der seinen karierten Einkaufstrolley vor sich herschob. Sein Kopf wackelte auf dem faltigen Hals wie bei einer Schildkröte. Plötzlich fiel mir Gar ein, die ich seit dem Unfall total vernachlässigt hatte.
    Da kam mein Taxi. Der Fahrer hupte. Mühsam stemmte ich mich hoch. Da hakte sich plötzlich ein Arm unter den meinen, sodass ich das Gleichgewicht verlor. Mein Herz hämmerte in schierer Panik, als die Zementstufen meinem Gesicht bedenklich nahe zu kommen schienen. In letzter Sekunde fand ich das Gleichgewicht wieder.
    »Ich bin ja so froh, dass ich Sie halten konnte.«
    Ich drehte mich zu der Stimme um und versuchte krampfhaft, dabei die Balance zu halten. Fay Carter starrte mich an. »Tut Ihr Bein so stark weh? Ich hatte ja mit meinem Arm eine Menge Probleme. Sie müssen ihn wohl nochmals einrichten.«
    »Ach, Sie sind es.« Ich versuchte, mich von ihr loszumachen, ohne unhöflich zu wirken. »Nein, es geht mir gut, danke.« Ich war zu schnell gewesen. Eine meiner Krücken entglitt mir und rutschte die ganze Treppe hinunter. Ich biss mir auf die Lippen und schluckte Ärger und Schmerz hinunter.
    »Ich hol sie.« Sofort eilte

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