Nur Der Tod Bringt Vergebung
Aber dieses Wissen allein hilft uns wenig.»
«Warum?»
«Weil es bedeutet, daß wir Hunderte von Verdächtigen haben, und zwar sowohl unter den Gefolgsleuten Roms als auch unter den Anhängern Ionas.»
«Dann müssen wir eine Möglichkeit finden, die Zahl der Verdächtigen einzugrenzen.»
Eadulf nickte und wandte sich wieder an den jungen Mönch.
«Wer wußte von Euren Verhandlungen mit der Äbtissin?»
Seaxwulf zog einen Schmollmund, wie ein Kind, das sein Wissen nur widerwillig preisgibt.
«Sie waren streng geheim.»
«Also wußtet nur Ihr und Wilfrid von Ripon davon?»
«Und Äbtissin Étain.»
«Was war mit Gwid, Étains Sekretärin?» warf Fidelma ein.
Seaxwulf lachte höhnisch.
«Gwid? Die Äbtissin hatte zu ihrer Sekretärin kein Vertrauen. Im Gegenteil, sie wies mich sogar ausdrücklich an, in dieser Angelegenheit nicht mit Gwid zu sprechen und ihr gegenüber mit keinem Wort zu erwähnen, daß sie mit Wilfrid von Ripon in Verbindung stand.»
«Wie kommt Ihr zu der Aussage, daß Étain zu Gwid kein Vertrauen hatte?»
«Weil Gwid sonst ganz bestimmt an den Verhandlungen teilgenommen hätte. Ich habe Gwid und Étain nur ein einziges Mal zusammen gesehen, und da haben sie sich angeschrien. Leider kann ich Euch nicht sagen, worum es ging, weil ich kein Irisch verstehe.»
«Es wußte also niemand sonst von den Verhandlungen?» hakte Eadulf noch einmal nach.
«Ich glaube nicht – außer Äbtissin Abbe, wenn ich mich recht besinne. Sie lief mir über den Weg, als ich gerade Étains cubiculum verließ, denn sie war gleich neben Étain untergebracht. Sie sah mich äußerst mißtrauisch an, aber ich habe nichts weiter gesagt, sondern bin meiner Wege gegangen. Allerdings habe ich noch gesehen, daß sie sofort Äbtissin Étains Zelle betrat, und kurz darauf hörte ich laute Stimmen. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob sie den Zweck meines Besuches erraten hat, aber wahrscheinlich war Äbtissin Abbe klar, daß Étain und Wilfrid miteinander verhandelten.»
Fidelma beschloß, in diesem Punkt noch einmal nachzuhaken.
«Während Ihr fortgingt, haben Abbe und Étain also laut miteinander gestritten?»
«Das nehme ich an. Ich habe ihre erhobenen Stimmen gehört, das war alles.»
«Und habt Ihr Äbtissin Étain seitdem noch einmal gesehen?»
Seaxwulf schüttelte den Kopf.
«Ich bin auf kürzestem Weg zu Wilfrid geeilt, um ihm von der Bereitschaft der Äbtissin zu berichten, in der Frage der Tonsur Petrus’ richtungsweisende Worte anzuerkennen. Dann läutete es auch schon zum Beginn der Versammlung, und ich ging gemeinsam mit Wilfrid ins sacrarium. Kurz darauf hörten wir, daß Äbtissin Étain ermordet worden sei.»
Fidelma seufzte tief. Dann nickte sie Seaxwulf zu.
«Also gut, Bruder. Ihr könnt jetzt gehen.»
Nachdem sich die Tür hinter Seaxwulf geschlossen hatte, sah Eadulf Fidelma an. Seine braunen Augen leuchteten aufgeregt.
«Äbtissin Abbe! Die Schwester des Königs höchstpersönlich! Eine Besucherin in Étains cubiculum, die Schwester Athelswiths wachsamem Auge entgangen ist, was sich leicht erklären läßt, da ihre Unterkunft gleich neben Étains Zelle lag.»
Schwester Fidelma wirkte weniger begeistert.
«Wir werden mit ihr sprechen müssen. Tatsächlich hätte sie ein Motiv gehabt. Abbe ist als leidenschaftliche Verfechterin der Lehren Columbans bekannt. Wenn sie den Eindruck hatte, daß Étain ohne das Wissen der maßgeblichen Vertreter der Kirche Ionas Zugeständnisse machte, muß sie sehr verärgert gewesen sein, und das wiederum kann sehr rasch zum Mordmotiv werden.»
Eadulf nickte eifrig.
«Mit unserer ersten Vermutung, der Mord hinge mit der Synode zusammen, lagen wir also vielleicht doch richtig. Nur daß Étain nicht von einem Anhänger Roms, sondern von einem Mitglied ihrer eigenen Kirche ermordet wurde.»
Fidelma verzog das Gesicht.
«Wir sind nicht hier, um die römische Delegation von Schuld freizusprechen, sondern um die Wahrheit aufzudecken.»
«Auch ich fühle mich der Suche nach der Wahrheit verpflichtet», versicherte Eadulf. «Aber Äbtissin Abbe gehört sicherlich zum Kreis der Verdächtigen …»
«Bisher haben wir nur Bruder Seaxwulfs Wort, daß sie nach ihm in Étains Zelle ging. Und Ihr erinnert Euch sicherlich auch daran, daß Schwester Athelswith nach Bruder Seaxwulf noch einen weiteren Besucher, nämlich Priester Agatho, erwähnte. Wenn ihre Beobachtungen stimmen, hat Étain den Streit mit Abbe unbeschadet überstanden. Denn wenn Abbe gleich nach Seaxwulf
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