Nur Der Tod Bringt Vergebung
rufen.»
Sichtlich in ihrem Stolz verletzt, eilte Schwester Athelswith von dannen.
Fidelma stand am Tisch und spürte, wie ihr alles vor Augen verschwamm. Sie sank aufs Bett zurück und rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen.
Wenig später kam Eadulf zurück. Er keuchte. Offenbar war er gelaufen.
«Und?» fragte Fidelma, ehe er Gelegenheit hatte zu sprechen. «Habt Ihr die Leiche gefunden?»
«Nein.» Eadulf schüttelte den Kopf. «In dem Faß war keine Leiche.»
Fidelma sah den Mönch entgeistert an.
«Was?»
«Ich habe in alle Fässer geblickt und nichts gefunden.»
Entschlossen stand Fidelma auf. Ihr Schwindel war vergangen.
«Aber ich habe Seaxwulf mit eigenen Augen gesehen!»
Beruhigend lächelnd sah Eadulf sie an.
«Ich glaube Euch, Schwester. Jemand muß die Leiche fortgeschafft haben, während wir Euch in Euer Zimmer brachten.»
Fidelma seufzte. «Ja. Das ist die einzige Erklärung.»
«Am besten erzählt Ihr mir ganz genau, was geschehen ist.»
Fidelma setzte sich wieder aufs Bett und rieb ihre pochende Stirn, da der Schmerz mit voller Wucht zurückkehrte.
«Ich habe Euch gesagt, Ihr müßt vorsichtig sein», sagte Eadulf vorwurfsvoll. «Tut Euch der Kopfweh?»
«Ja», stöhnte sie gereizt. «Was kann man nach so einem Schlag auch erwarten?»
Er lächelte mitfühlend. «Macht Euch keine Sorgen. Ich gehe in die Küche und lasse Euch einen Trank zubereiten, der Euch helfen wird.»
«Einen Trank? Wollt Ihr mir etwa noch eins von den bitteren Giften verpassen, von denen Ihr behauptet, Ihr hättet sie in Tuaim Brecain kennengelernt?» stöhnte sie.
«Ein Kräuterheilmittel», erwiderte Eadulf grinsend. «Eine Mischung aus Salbei und rotem Klee. Trinkt es, und es wird Eure Kopfschmerzen lindern. Obwohl ich bezweifle, daß Euer Zustand sehr ernst ist, wenn Ihr noch soviel Widerstand leisten könnt.» Er verschwand, kehrte jedoch nach kurzer Zeit schon wieder zurück.
«Das Heilmittel wird gleich kommen. Und jetzt berichtet mir alles der Reihe nach.»
Sie erklärte es ihm in kurzen Worten.
«Ihr hättet mir von Eurem Stelldichein erzählen sollen, ehe Ihr in diese dunklen Katakomben hinuntergestiegen seid», meinte Eadulf tadelnd.
Es klopfte an der Tür, und eine Schwester reichte einen Tonbecher mit dampfender Flüssigkeit herein.
«Ah, der Kräutertrank», meinte Eadulf grinsend. «Er mag bitter schmecken, Schwester, aber er wird Euch helfen. Ich verbürge mich dafür.»
Fidelma nippte an dem Gebräu und verzog das Gesicht.
«Am besten, Ihr trinkt den Becher so rasch wie möglich aus», empfahl Eadulf.
Fidelma rümpfte zwar die Nase, befolgte jedoch seinen Rat, schloß die Augen und schluckte das warme Getränk hinunter.
«Das war ziemlich scheußlich», stellte sie fest und stellte den Becher weg. «Es scheint mir fast, als hättet Ihr Spaß daran, mich mit Euren übelschmeckenden Mixturen zu traktieren.»
«Gibt es in Eurem Land nicht das Sprichwort: ‹Je bitterer die Medizin, desto gründlicher die Heilung›?» fragte Eadulf. «Aber wo waren wir stehengeblieben …?»
«Bei Seaxwulf. Ihr sagtet, seine Leiche sei verschwunden. Aber warum? Jemand hat ihn getötet und sich die größte Mühe gegeben, ihn fortzuschaffen.»
«Er wurde ermordet, damit er nicht mit Euch sprechen kann. Soviel ist klar.»
«Aber was hatte Seaxwulf mir zu sagen? Was war so wichtig, daß er unbedingt ein geheimes Treffen vereinbaren wollte? Und weshalb mußte er dafür mit dem Leben bezahlen?»
«Vielleicht wußte Seaxwulf, wer Étain auf dem Gewissen hat?» Fidelma knirschte wütend mit den Zähnen.
«Drei Morde, und wir sind der Lösung nicht ein Stückchen nähergekommen.»
Eadulf schüttelte den Kopf.
«Im Gegenteil. Wir sind ihr zu nahe, Schwester», sagte er mit Nachdruck.
Fidelma sah ihn erstaunt an.
«Was meint Ihr damit?»
«Wenn wir völlig im dunkeln tappen würden, hätte es nur einen Mord gegeben. Die beiden letzten Morde wurden nur begangen, um zu verhindern, daß wir erfuhren, was die Ermordeten wußten. Wer auch immer Étain getötet hat – wir sind ihm so dicht auf den Fersen, daß er zum Handeln gezwungen war, damit wir ihn nicht enttarnen.»
Fidelma überlegte eine Weile.
«Ihr habt recht. Ich kann wohl noch nicht klar denken. Ihr habt völlig recht, Eadulf.»
Eadulf lächelte zaghaft.
«Ich habe auch herausgefunden, daß Athelnoth, was die Brosche betraf, nicht ganz die Unwahrheit gesagt hat.»
«Wie das?»
Eadulf streckte die Hand aus und hielt ihr eine kleine
Weitere Kostenlose Bücher