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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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verstärkt wurde. Kellnerinnen in knappen pinkfarbenen Shorts und aufreizenden weißen T-Shirts mit der knallrosa Aufschrift CHESTER’S auf der Brust bahnten sich mit Tabletts voller Biergläser und einem eingefrorenen Lächeln einen Weg von der langen, neonbeleuchteten Bar im Vorderteil zu den Nischen mit Bänken aus poliertem Holz, den Tischen in der Mitte des Raumes und dem Billardzimmer. Benannt war das Chester’s nach seinem Gründer, einem drahtigen, weißhaarigen Mann über siebzig, der die besten Hamburger der Stadt briet, und der Laden war immer gerappelt voll. Man hatte den Eindruck, dass jeder in der Stadt ins Chester’s ging, obwohl Chester selbst sich im Laufe der Jahre immer mehr zurückgezogen hatte und es inzwischen vorzog, sich ganz in seiner Küche zu verschanzen, nachdem er die alltägliche Leitung des Lokals an Cal Hamilton übertragen hatte. Das Urteil der Einwohnerschaft über Cal fiel durchaus zwiespältig aus. Einige – vor allem Männer – hielten ihn für einen langweiligen Angeber; andere – vor allem Frauen – fanden ihn selbstbewusst und sexy. Letztere hatten die Blutergüsse, die Arme und Gesicht seiner hübschen Ehefrau bedeckten, vermutlich noch nicht gesehen, obwohl es immer genug Frauen gab, die sich zu den so genannten bösen Jungs hingezogen fühlten. Sie erkannten nicht, dass jene Männer häufig nichts als brutale Schläger waren, oder redeten sich ein, dass sie bessere Menschen aus ihnen machen konnten.
    John Weber stieß die schwere doppelte Außentür auf und spähte in der Dunkelheit nach einem vertrauten Gesicht. Torrance wimmelte von allen möglichen Sorten von Menschen. Wo sich der eine im Paradies wähnte, fühlte sich ein anderer
wie in der Hölle, womit Torrance nicht anders war als jede andere – große oder kleine – Stadt in Amerika. Oder auf der ganzen Welt.
    Die Hölle, das sind die anderen , hatte seine Frau ihm einmal erklärt, obwohl er sich nicht mehr an den Anlass erinnern konnte. Er hatte den Fehler gemacht, diesen Gedanken bei einem Elternsprechtag im vergangenen Herbst in einem eher zähen Gespräch mit Ambers Theaterlehrer Gordon Lipsman zu wiederholen, worauf der Mann seinen großen Kopf hin und her gewiegt und mit einem herablassenden Nicken gesagt hatte, er sei über die Maßen beeindruckt, dass der hiesige Sheriff Jean-Paul Sartre zitieren könne. Anschließend hatte der Mann sich in einen gut halbstündigen Vortrag über die »existenzialistische Philosophie« gestürzt. Zum Glück hatten ihn irgendwelche anderen Eltern unterbrochen, als John gerade überlegte, welche Konsequenzen es hätte, wenn er seine Dienstwaffe ziehen und dem aufgeblasenen Blödmann eine Kugel zwischen seine schielenden Augen verpassen würde.
    »Suchen Sie jemanden oder darf ich Ihnen einen Tisch anbieten, Sheriff?«
    John drehte sich in Richtung der vertrauten Stimme um und ballte die Fäuste, als er in Cal Hamiltons unverschämt attraktives Gesicht blickte. Dessen dunkle, grüblerische Augen, hart wie Kiesel, passten so gar nicht zu den weichen, welligen, blonden Haaren, der kleinen Boxernase, den vollen runden Wangen, den bereitwillig zu einem Grinsen gebleckten Lippen und den auffällig kleinen Zähnen, die wie Maiskörner an einem Kolben aussahen. Es war die Sorte Gesicht, in die John Weber immer schlagen wollte, obwohl die Muskeln, die sich unter Cals schwarzem, kurzärmeligem T-Shirt abzeichneten, es ratsam erscheinen ließen, alles hübsch nett und freundlich angehen zu lassen. In seinen Jahren als Rausschmeißer hatte Cal angeblich mehr als einen Mann krankenhausreif geschlagen, obwohl es keine Einträge über frühere Festnahmen oder ausstehende Haftbefehle gab. Jedenfalls
keine, die John hatte finden können. »Ich wollte fragen, ob Sie Liana Martin in den letzten beiden Tagen gesehen haben«, fragte John.
    »Liana Martin?« Bei der Erwähnung des Namens verengten sich Cals Augen.
    John zog das Foto aus seiner Hemdtasche. Er fand es interessant, dass man manchen Menschen die Anstrengung zu denken wirklich ansehen konnte. Einige kniffen wie Cal die Augen zusammen, andere legten die Brauen in Falten und schoben die Lippen vor, als wollten sie eine Zitrone auslutschen. Wieder andere tippten sich auf die Nasenspitze. Manchmal machten sie auch all diese Dinge hintereinander oder gleichzeitig. »Das Chester’s ist offenbar eines ihrer Lieblingslokale.«
    »Wirklich? Nun, mal sehen.« Cal nahm das Foto mit an den Tresen und betrachtete es im Schein der roten und

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