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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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sich versteckte? John hatte kurz die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass sie in einem Zeugenschutzprogramm waren, die Idee jedoch als unwahrscheinlich verworfen. Personen in Zeugenschutzprogrammen gaben sich in der Regel alle Mühe, möglichst unauffällig zu bleiben. Cals Frau Fiona wurde zwar nur selten in der Öffentlichkeit gesehen, und dann auch nur an der Seite ihres Mannes, doch Cal selbst war alles andere als schüchtern und zurückhaltend. Genau genommen konnte man alle Gerüchte über Cal Hamiltons wilde Vergangenheit meistens zu ein und derselben Quelle zurückverfolgen: zu Cal Hamilton selbst.

    Es sei denn, er log.
    »Hallo, Sheriff«, gurrte eine Stimme, während eine zarte Hand mit langen, knallrot lackierten Fingernägeln ein Glas kaltes Bier vor ihm auf den Tisch stellte. »Ich habe gehört, Sie hatten einen schweren Tag.«
    Sofort zog John das Foto von Liana Martin aus der Brusttasche und gab es der Kellnerin mit den unnatürlich roten Haaren. »Haben Sie dieses Mädchen in letzter Zeit hier gesehen?«
    Die Kellnerin beugte sich vor, um das Bild genauer zu betrachten. Dabei streiften ihre Brüste in dem sorgfältig arrangierten Ausschnitt seine Wange. Er spürte eine unerwartete Regung unter der Gürtellinie und hätte beinahe sein Bier umgekippt. »Vorsicht mit dem Bier, Schätzchen«, sagte die Kellnerin, und die lockere Vertrautheit eines Mädchens, das seine Tochter sein könnte, ließ ihn zusammenzucken. »Ja, ich habe sie gesehen. Zuletzt vor ein paar Tagen. Warum? Ist ihr irgendwas zugestoßen?«
    »Sie wird vermisst«, erklärte John. »Können Sie mir einen Gefallen tun? Können Sie das Bild den anderen Kellnerinnen zeigen und fragen, ob irgendwer sie gesehen hat?«
    »Klar.« Die Kellnerin nahm das Foto und verschwand im allgemeinen Gedränge.
    Ein paar Minuten später sah er, wie sie es dem Barkeeper zeigte, aber der junge Mann schüttelte den Kopf. »Das wird nicht leicht«, murmelte er in sein Bier, das wie versprochen schön kalt war. Ein Mann, der sein Wort hielt, dachte John und beobachtete, wie Cal mit einer hübschen jungen Frau an der Bar flirtete. Seine Hand lag frech auf dem imposanten Hinterteil der Dame, die trotz ihres Eherings keinerlei Anstalten machte, sie wegzuschieben. Auch wenn John sich nie für prüde gehalten hatte und bestimmt kein Abbild ehelicher Treue war, missfiel ihm die lässige Art, mit der Cal Hamilton mit seinem Erfolg bei Frauen protzte. Fremdzugehen war eine Sache. Aber es war etwas ganz anderes, seine Seitensprünge
in die Welt hinauszuposaunen und mit seiner Untreue vor der Nase anderer Leute herumzuwedeln.
    John trank einen großen Schluck Bier. Er hatte die Frauen nie verstanden. Schon seine Mutter war der Inbegriff der Widersprüchlichkeit gewesen, in einer Minute still und zurückgezogen, in der nächsten laut und ausgelassen. Bipolar, wie das heute hieß, obwohl man es, als er jung war, schlicht verrückt genannt hatte. Sein Vater hatte auf jeden Fall schnell die Geduld mit ihren sprunghaften Launen und ihrem unberechenbaren Verhalten verloren. Er hatte sich in seiner Arbeit vergraben, und als sie mit Anfang vierzig an Brustkrebs gestorben war, hatten alle gesagt, dass es im Grunde ein Segen sei. Trotzdem vermisste John den wundervollen Humor und den scharfen Witz seiner Mutter noch immer. Seine Mutter war noch kein Jahr unter der Erde gewesen, da hatte sein Vater wieder geheiratet, diesmal eine Frau ohne jeden Sinn für Humor, zumindest ohne einen, den John hatte erkennen können. Aber sie schien seinen Vater glücklich zu machen. Ein weiteres Rätsel des Lebens. Mit einem weiteren großen Schluck trank John das halbe Glas leer. Offenbar verstand er die Männer auch nicht. Vielleicht hatte er den falschen Beruf.
    »Niemand hat sie gesehen«, sagte die Kellnerin, als sie etwa zehn Minuten später an Johns Tisch zurückkam. »Ich hab sogar ein paar von den Gästen gefragt«, fügte sie mit einem Kopfschütteln hinzu, das ihm sagte, dass sie auch dort kein Glück gehabt hatte.
    »Danke«, sagte John und setzte das leere Glas auf das Tablett der Kellnerin, die ihm sofort ein frisches Bier hinstellte.
    »Geht auf’s Haus«, sagte sie, bevor er protestieren konnte.
    Was soll’s, dachte er. Warum nicht? Zwei Bier bedeuteten bloß, dass er noch ein wenig länger hier sitzen musste, bevor er wieder ans Steuer seines Streifenwagens konnte. Er sah auf die Uhr. Es war schon nach neun. Auf dem Heimweg könnte er noch einmal bei den Martins vorbeischauen.

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