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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Er war nach der Befragung von Lindas Freundinnen schon einmal kurz
bei ihnen gewesen, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Wenn er nach Hause kam, würde Pauline mit ein bisschen Glück schon schlafen. Der Gedanke, eine nichtssagende Unterhaltung mit seiner Frau führen oder schlimmer noch mit ihr schlafen zu müssen, war einfach zu deprimierend.
    Er führte das zweite Bier zum Mund. Wann war die Vorstellung, mit seiner Frau zu schlafen, deprimierend geworden? Wann hatte Sex aufgehört, eine Befreiung zu sein, und war zu einer weiteren beschwerlichen Pflicht geworden? Es war nicht immer so gewesen. Es gab eine Zeit, die noch gar nicht so lange zurücklag, in dem allein der Gedanke an Sex ihn durch den Tag getragen hatte. Dass er seine Frau nicht liebte, sie nie geliebt hatte, eigentlich nie irgendjemanden geliebt hatte, spielte keine Rolle. Er neigte nicht dazu, Sex und Liebe zu verwechseln. Und lange Zeit hatte ihm der Sex mit Pauline auch genügt. Wann hatte es aufgehört, genug zu sein?
    Er war noch relativ jung. Die Kellnerin hatte ihm eben bewiesen, dass er sich noch relativ leicht, ja sogar wahllos erregen ließ. Was also war sein Problem? Warum fand er es so schwierig, eine Erektion zu bekommen, geschweige denn zu behalten, sobald es um seine Frau ging?
    Er wusste, dass er Pauline nicht allein die Schuld geben konnte. Als sie gespürt hatte, dass seine Blicke schweiften und sein Interesse erlahmte, hatte sie sich alle Mühe gegeben, ihr Sexleben aufzupeppen. Sie hatte Reizwäsche und Duftkerzen um ihr Bett und im Bad aufgestellt, neue Positionen vorgeschlagen und sogar einmal angedeutet, dass er seine Handschellen mit ins Schlafzimmer bringen sollte. Das hatte eine Zeit lang funktioniert und dann nicht mehr.
    Er bezweifelte, dass es Pauline anders erging als ihm, aber sie konnte wenigstens so tun als ob. Er wünschte sich manchmal, dass auch er Erregung und einen Orgasmus vortäuschen könnte, aber für einen Mann war das viel schwieriger als für eine Frau. Mit Fantasien kam man auch nur begrenzt weiter,
und einen schlaffen Schwanz konnte man nicht zur Aktion zwingen. Da hatte Pauline es viel leichter. Sie musste eigentlich bloß daliegen.
    »Verzeihung, Sheriff Weber?«
    Um ein Haar wäre John das Glas entglitten.
    »Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    John drehte sich zu der Klein-Mädchen-Stimme um und sah Kerri Franklins Tochter Delilah, die ihn mit ernsten braunen Augen groß wie Untertassen ansah. Er drehte sich um, um zu sehen, ob ihre Mutter hinter ihr stand, was jedoch nicht der Fall war. »Delilah«, sagte er und stand mühsam auf. »Wie geht es dir?«
    »Okay.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte in den dunklen Raum. »Sie haben nicht zufällig meine Mutter gesehen, oder?«
    »Deine Mutter? Nein. Warum? Ist sie hier?« John zog den Bauch ein und drehte sich zum Hinterzimmer um.
    »Nein. Das ist ja das Problem. Ich weiß nicht, wo sie ist. Sie ist heute Nachmittag ein neues Rezept für Grandma Roses Herzmedikament holen gegangen und immer noch nicht zurück. Grandma Rose wird langsam ein bisschen kribbelig, also hab ich gesagt, ich würde sie suchen gehen. Sie haben sie nicht gesehen?« In Johns Kopf begannen Alarmglocken zu schrillen. Erst die Ausreißerin aus Hendry County, dann Liana Martin und jetzt Kerri Franklin?
    Nein, sagte er sich und lächelte Delilah so aufmunternd an, wie er konnte. Die Ausreißerin aus Hendry County war genau das – eine Ausreißerin. Wie aller Wahrscheinlichkeit nach auch Liana Martin. Was Kerri Franklin betraf, hatte sie selbst an guten Tagen eine eher zänkische Beziehung zu ihrer Mutter, deren Herz zwar schwach, aber seit Jahren stabil war. Wahrscheinlich hatte Kerri in der Apotheke eine Freundin getroffen und war mit ihr Kaffee trinken gegangen, weil sie es nicht eilig hatte, nach Hause zu kommen. Aus dem Kaffee war ein Abendessen geworden, vielleicht sogar ein Kinobesuch.
Sie würde schon wieder auftauchen. Genau wie Liana Martin und das andere Mädchen. Wie hieß sie noch gleich?
    Candy , erinnerte ihn die Stimme der Mutter in seinem Kopf, während sie ihm das Bild einer zarten jungen Frau mit dunklen Augen und einem gehetzten Blick hinhielt. Eigentlich heißt sie Harlan. Harlan Abbot. Aber sie hat diesen Namen immer gehasst. Sie hat sich selbst Candy genannt. Sie meinte, dass es besser zu ihr passen würde als Harlan. Und ja, ich weiß natürlich, dass es nicht das erste Mal ist, dass sie abgehauen ist, und ich weiß auch von

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