Nur Der Tod Kann Dich Retten
Mutter und die Augen ihres Vaters, während sein Haar eine interessante Mischung aus beiden war – von demselben dunklen Blond wie Ians, jedoch mit Sandys widerspenstigen Locken. Er trug ein zerknittertes weißes Hemd und eine weite Khakihose. Er war groß, schlaksig und fühlte sich noch nicht recht wohl in seiner Gestalt. Er hatte keine Vorstellung davon, wie attraktiv er bald sein würde, und deshalb auch keine Ahnung von seiner potenziellen Macht. »Wie wär’s mit
deinem blauen Blazer?«, schlug Megan vor. »Und die Krawatte, die Grandma dir zu Weihnachten geschickt hat.« Sie biss sich heftig auf die Unterlippe und schloss die Augen, allerdings nicht schnell genug, um nicht noch den aufflackernden Schmerz im Gesicht ihrer Mutter zu sehen. Sie war so enttäuscht gewesen, dass sie wegen Ians »vollem Terminplan« über die Feiertage nicht zurück in den Norden hatten fahren können.
(»Von wegen ›voller Terminplan‹«, hatte sie später getobt.)
»Krawatten sind doof«, murmelte Tim.
»Sie sind ein Ausdruck des Respekts.«
Megan wusste, was ihr Bruder dachte. Ausgerechnet du willst mir etwas über Respekt erzählen? Sie wusste auch, dass er so etwas nie laut aussprechen würde. »Beeil dich«, drängte sie ihn, bevor irgendjemand etwas sagen konnte. »Ich sterbe vor Hunger.«
Übertrieben langsam hob Tim seine Beine in die Luft, bevor er seine Füße auf die kalten Bodenfliesen setzte.
Der Boden – ein weiterer wunder Punkt, dachte Megan. Ihre Mutter hatte die hässlichen weißen Fliesen herausreißen und durch wärmere Bodendielen aus hellem Holz ersetzen wollen, aber ihr Vater hatte erklärt, dass alle Renovierungsarbeiten an dem fantasielosen Vier-Zimmer-Bungalow noch ein Jahr warten müssten. Jetzt wohnte er in einer brandneuen, modernen Wohnung nahe der Innenstadt. Megan hatte ihrer Mutter lieber nichts von dem hellen Holzboden erzählt.
Tim hatte es endlich geschafft, sich von dem Sofa zu erheben, und schlurfte jetzt durch das Zimmer, als würde er durch einen Sumpf waten.
»Und kämm dich mal«, rief sein Vater ihm nach.
»Sein Haar ist in Ordnung«, sagte Sandy.
»Es ist viel zu lang«, widersprach Ian. »Er sieht aus wie ein Penner.«
Megan spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. »Können wir bitte einfach gehen?«
»Was meinst du, Megan?«, fragte ihr Vater.
»Ich finde, seine Haare sehen gut aus«, antwortete Megan wahrheitsgemäß, ohne ihren Vater anzusehen.
»Natürlich«, sagte ihr Vater beleidigt, als hätte sie ihn enttäuscht.
Megan starrte auf das jetzt leere Sofa und dachte, dass die Möbel, die sie aus Rochester mitgebracht hatten, ausnahmslos nicht in dieses Haus passten. Alles war zu dunkel und zu schwer, sodass man regelrecht Platzangst kriegte und einfach nur raus wollte.
Sie sah ihre Mutter an, wandte den Blick rasch wieder ab und hoffte, dass man ihr ihre plötzliche Wut nicht anmerkte. Was um Himmels willen war los mit der Frau? Wollte sie nicht, dass ihr Mann zurückkam? Warum trug sie diesen albernen lilafarbenen Trainingsanzug, der ihre Hüften breiter aussehen ließ, als sie waren? Versuchte sie vorsätzlich, so unattraktiv wie möglich auszusehen? Hätte sie sich nicht schminken oder zumindest ein bisschen Lippenstift auftragen können?
»Alles in Ordnung, Schätzchen?«, fragte ihre Mutter mitten in ihre Gedanken.
»Alles bestens«, sagte Megan. »Ich hab bloß Hunger.«
»Tim«, rief ihr Vater. »Was dauert denn so verdammt lange? Beweg deinen Arsch.«
Megan zuckte zusammen und spürte, wie ihre Mutter das Gleiche tat.
»Eine Krawatte zu binden dauert seine Zeit«, erinnerte ihre Mutter ihn.
»Nicht, wenn er es öfter machen würde.«
»Dann hätten wir vermutlich in New York bleiben sollen«, kam die spitze Erwiderung.
Megan hielt den Atem an.
»Ich habe übrigens darüber nachgedacht, nach dem Schuljahr nach Rochester zurückzugehen«, fuhr ihre Mutter fort.
Wirklich? Das hatte sie bisher mit keinem Wort erwähnt.
»Wovon redest du?«, fragte ihr Vater.
»Nun, hier hält mich eigentlich nichts.«
War das ein Trick ihrer Mutter? Glaubte sie, sie könnte ihren Mann mit der Drohung, nach New York State zurückzukehren, zur Vernunft bringen?
»Wovon redest?«, wiederholte er. »Was ist mit den Kindern?«
»Die kommen mit mir.«
Wollte sie das?, fragte Megan sich. Nach Rochester zurückkehren? Jetzt, wo sie jeden Tag beliebter wurde und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis Greg sie um eine Verabredung bat?
»Was ist mit deinem
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