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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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der armen Frau je vergessen könnte, wie sie rückwärts gegen die Brust ihres Mannes taumelte, als wäre sie gestoßen worden, und einknickte wie ein Klappstuhl. Er sah ihre Knie nachgeben und sie wie einen Anker zu Boden sinken, ohne dass ihr hilfloser Mann ihren zerbrechlichen Körper auffangen konnte. Er hörte den stummen Schrei aus ihrem verzerrten Mund. Er hatte gesehen, wie sie binnen Sekunden um ein Leben gealtert war, das Leben ihrer Tochter, wie ihm jetzt mit einem traurigen Kopfschütteln klar wurde.

    Lianas Leiche war knapp eine Stunde zuvor entdeckt worden. Er musste den Gerichtsmediziner für Broward County verständigen, die nötigen Vorkehrungen treffen und warten, bis die Leiche des Mädchens abtransportiert war, bevor er zu den Martins fahren konnte, fest überzeugt, dass sie die Neuigkeit bestimmt schon gehört hatten. Er hatte beobachtet, wie diverse Mitglieder des Suchtrupps ihre Handys zückten, sobald Lianas Leiche aus dem flachen Grab gezogen worden war.
    Aber offensichtlich hatte niemand der Erste sein wollen, der Howard und Judy Martin die Nachricht überbrachte. Diese zweifelhafte Ehre hatte man ihm überlassen. Er hatte den Martins ebenfalls erklären müssen, dass es bis jetzt keine Verdächtigen gab, obwohl die Polizei jeden Aspekt des Falles neu aufrollen müsse, nachdem es sich nun offiziell um einen Mordfall handelte. Das bedeutete, alle Freundinnen und Bekannte sowie Mitschüler und Lehrer von Liana mussten noch einmal befragt werden – was hatte Delilah noch über ihren Physiklehrer und seine Vorliebe für junge Mädchen gesagt? -, desgleichen Randfiguren wie Cal Hamilton und Ray Sutter. John ahnte, dass er vor Ende der Woche wahrscheinlich mit der ganzen Stadt gesprochen hatte. Er ließ die Schultern sinken. Er war schon jetzt müde.
    Er sah auf die Uhr und dachte, dass er am besten unverzüglich damit anfing – seit der Entdeckung von Lianas Leiche hatte der Bürgermeister schon zweimal angerufen; beim ersten Mal, um seinem Wunsch Ausdruck zu verleihen, über jede Entwicklung auf dem Laufenden gehalten zu werden; beim zweiten Mal, um zu fragen, ob man das FBI hinzuziehen sollte. John hatte den Bürgermeister daran erinnert, dass er mehr über die Bürger von Torrance wusste als irgendein FBI-Agent, und bat ihn, Geduld zu haben. »Ich regele das«, erklärte er und beschloss nach Hause zu fahren, um kurz zu duschen. Er konnte schließlich schlecht bei den Leuten in derselben verschwitzten und schmutzigen Uniform aufkreuzen,
die er getragen hatte, als man Liana aus der feuchten Erde gezogen hatte.
    »Das ist eine Nummer zu groß für dich«, konnte er Pauline in seinem Kopf spotten hören, als ihm einfiel, dass sie zum Abendessen mit Sarah und Frank Lawrence verabredet waren. Aber selbst Pauline würde bestimmt verstehen, dass es sich um ziemlich außergewöhnliche Umstände handelte. Außerdem hatte er sowieso keinen Appetit. Ihm wurde schon beim Gedanken an etwas Essbares übel.
    John saß eine Weile schweigend da und versuchte, nicht an das vermisste Mädchen aus dem benachbarten Hendry County zu denken. Lag Candy Abbot womöglich auch irgendwo dort draußen begraben, machte vielleicht tatsächlich ein Irrer den Süden von Florida unsicher, der es auf junge Mädchen abgesehen hatte, und war das alles erst der Anfang? John vergrub sein Gesicht in den Händen und verbat sich alle weiteren Spekulationen. Für so etwas war er zu alt, dachte er, zu alt und zu schlecht ausgestattet. Gut, er hatte eine Mannschaft von intelligenten, eifrigen, jungen Deputies, die sich den Arsch aufreißen würden, um Lianas Mörder zu finden, aber sie hatten alle noch weniger Erfahrung in solchen Dingen als er. Außerdem saß ihm der ehrgeizige junge Bürgermeister im Nacken, der ihm bei jedem Schritt voraus sein wollte. Die Leiche war erst vor einer Stunde gefunden worden, und der Mann fragte bereits, warum es so lange dauerte, bis die Ermittlungen begannen.
    John wusste, dass die meisten Verbrechen im wirklichen Leben anders als im Fernsehen entweder dadurch gelöst wurden, dass der Täter sich stellte, oder noch wahrscheinlicher durch einen Zufall. John schüttelte den Kopf, als wollte er vor der Heimfahrt alle ungebetenen Gedanken und Bilder loswerden.
    Und zu Hause wollte er seiner Tochter als Erstes sagen, wie sehr er sie liebte.

    Das Haus war dunkel.
    Sobald John den Flur betrat, hörte er den Fernseher plärren. Das war soweit nichts Neues. Der Fernseher plärrte immer. »Pauline?«, rief er

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