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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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und drückte auf einen Schalter neben der Tür, um das so genannte »große Zimmer« zu erleuchten – ein kombiniertes Wohn-Ess-Zimmer. Bis auf die Ausmaße hatte der schlichte rechteckige Raum nichts »Großartiges«, auch wenn er teuer, aber für Johns Geschmack ein bisschen zu blumig dekoriert war. Das Esszimmer wurde praktisch nie benutzt, und John konnte sich auch nicht erinnern, wann sie zuletzt zu dritt auf der unbequemen ledernen Couchgarnitur gesessen hatten, die für gemeinsame Fernsehabende der Familie vorgesehen war.
    Er blickte zu der geschlossenen Tür von Ambers Zimmer. Kein Geräusch oder Lichtschein deutete darauf hin, dass sie zu Hause war. »Amber?«, rief er, fragte sich, ob sie die Nachricht von Liana schon gehört hatte, und hoffte, dass sie nicht ausgegangen war. »Amber? Amber, bist du da?«
    Als sie immer noch nicht antwortete, ging er in die Küche und stellte die große McDonald’s-Tüte, die er auf dem Weg nach Hause mitgenommen hatte, auf die Arbeitsplatte aus grauem Granit. Die Tüte enthielt einen Big Mac, mehrere McChicken und drei große Portionen Pommes frites, was hoffentlich ausreichen würde, um Pauline zu besänftigen, wenn sie erfuhr, dass sie das geplante Essen absagen mussten. Obwohl er die Verkäuferin gebeten hatte, die Bestellung in eine doppelte Papiertüte zu packen, die sie dann in eine große Plastiktüte wickeln und zubinden sollte, stieg ihm der unverkennbare Geruch in die Nase. Eau de McDonald’s , dachte er und hätte unter anderen Umständen vielleicht gelächelt.
    »Pauline?«, rief er auf dem Weg ins Schlafzimmer im hinteren Teil des Hauses noch einmal lauter. Er bezweifelte, dass sie ihn bei dem Lärm aus dem Fernseher hören konnte, und fragte sich, warum er sich die Mühe machte. Pauline behauptete, dass das jahrelange Hören von lauter Musik als Teenager
ihre Trommelfelle beträchtlich beschädigt hatte, sodass sie nur bei voller Lautstärke fernsehen könne. Da sie jedoch keine Probleme hatte, alles andere mitzubekommen, vermutete John insgeheim, dass sie es tat, um ihn zu ärgern.
    Wenn er früh schlafen gehen wollte und sie noch eine ihrer Lieblingssendungen sah – sie hatte offenbar ausschließlich Lieblingssendungen -, musste er manchmal in das winzige Gästezimmer auf der Vorderseite des Hauses umziehen. Dagegen hatte er nichts, auch wenn das Bett kleiner und längst nicht so bequem war wie das Doppelbett im Schlafzimmer. Dafür musste er es mit niemandem teilen, und das Gästezimmer war einer der wenigen Räume im Haus, in denen kein Fernseher stand. Alle anderen waren mit TV-Geräten ausgestattet, einschließlich der Küche und dem großen Badezimmer. Das war nicht seine Idee. Er hatte nie viel ferngesehen. Pauline warf ihm manchmal vor, ein Snob zu sein, aber die Wahrheit war im Grunde viel schlichter: Es fiel ihm schwer, den meisten Sendungen zu folgen. Als Kind hatte er unter einer milden Form des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms gelitten und fand es bis heute schwierig, sich für längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren. Wahrscheinlich nicht die perfekte Voraussetzung für einen Mann in seiner Position, dachte er. Zum Glück war seine Aufmerksamkeitsspanne bisher nie wirklich auf die Probe gestellt worden.
    Bis jetzt.
    »Pauline?« Er betrat das Schlafzimmer, wo sein Blick von einer schönen jungen Frau mit langen blonden Haaren und vollen Brüsten, die aufreizend über den Bildschirm hüpfte, zu dem leeren, ungemachten Bett schweifte. Dass das Bett ungemacht war, überraschte ihn nicht. Dass Pauline nicht darin lag, schon. War es möglich, dass sie die Nachricht von Liana gehört und sich gedacht hatte, dass er wahrscheinlich den ganzen Abend zu tun haben würde, weshalb sie die Verabredung abgesagt hatte und mit Amber essen gegangen war, ohne vorher den Fernseher auszuschalten? »Pauline?«, rief er noch
einmal und schaltete den verdammten Kasten mit der Fernbedienung aus.
    »Was machst du denn?«, kam die prompte Reaktion. »Lass das.«
    John wandte den Kopf in Richtung Flur. »Pauline?«
    »Ich gucke das.«
    Pauline trat aus dem begehbaren Kleiderschrank, der zwischen Bad und Schlafzimmer vom Flur abging, und befestigte im Gehen einen goldenen Ohrring. Ihr schulterlanges kastanienbraunes Haar war zu einem Knoten im Nacken gebunden, und sie trug ein neues Kleid, das allem Anschein nach blau war. Zumindest vermutete John das. Neben seinem ADS war er auch noch farbenblind, sodass das Kleid auch schwarz sein konnte. Für neu hielt er es,

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