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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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rückwärtstaumelte, den Stand verlor und mit den Armen ruderte, als wären es Flügel, rücklings auf den roten Teppich in der Mitte der harten Holzstufen krachte und auf dem Weg ins
Erdgeschoss auf die Stufen und gegen die Wand prallte, bis sie schließlich unten aufschlug, beide Hände schützend über dem Kopf, die Beine in einer unschicklichen Art gespreizt, die den weißen Slip unter ihrem blauen Sommerkleid entblößte.
    Als ich zu ihr trat, stöhnte sie halb bewusstlos, die Augen in den Höhlen verdreht. Ich wusste nicht, ob sie das Bewusstsein ganz verlieren oder wieder zu sich kommen würde, deshalb musste ich schnell handeln. Ich zog ihr hastig die braunen Sandalen aus und streifte ihr einen von den schwarzen Stöckelschuhen über. »Du solltest nicht so hohe Absätze tragen«, tadelte ich. »Weißt du nicht, dass sie einen umbringen können?«
    Ich schleuderte den anderen Schuh gegen die Wand und beobachtete, wie er einen Abdruck auf der weißen Farbe hinterließ, bevor er die Treppe hinunterkullerte und schließlich auf der fünften Stufe liegen blieb. Ich rannte die Treppe hoch und stellte ihre Sandalen in den Kleiderschrank. Dort fand ich auch, wonach ich suchte.
    Eine große Plastiktüte.
    Sie war um eine schwarze Seidenhose geschlagen, die meine Tante kürzlich aus der Reinigung geholt und vermutlich an diesem Abend bei ihrem Rendezvous hatte tragen wollen. Ich riss die Plastiktüte von dem Bügel, sorgfältig darauf bedacht, keine Plastikfetzen zurückzulassen, und nahm sie mit zum Fuß der Treppe, wo meine Tante lag. Sie hatte die Augen geschlossen, als ich ihren Kopf in meine Arme nahm und begann, die Tüte vorsichtig darüberzuziehen.
    Plötzlich riss sie die Augen weit auf. »Was machst -«, brachte sie heraus, bevor ich die Tüte ganz über ihre Nase und ihren Mund zerren konnte. In ihrem bereits geschwächten Zustand hatte sie mir nichts entgegenzusetzen. Ich glaube, dass sie ohnehin gestorben wäre, aber ich konnte nicht riskieren, dass sie durchhielt, bis ihr Verehrer eintraf und sie noch rechtzeitig ins Krankenhaus brachte, um ihr Leben zu retten. Und meins zu ruinieren.

    Also ließ ich nicht locker. Ich spürte, wie sie sich wand, und beobachtete, wie sie ihr Leben langsam aushauchte und die Augen mit jedem quälenden Atemzug weiter aufriss. Ich hoffe zumindest, dass es quälend war. Ich glaube, dass ich tatsächlich gespürt habe, wie ihr Herz aufhörte zu schlagen, aber ich wartete noch weitere fünf Minuten, bevor ich die Tüte langsam von ihrem Kopf zog und ihr die Augen schloss. Ich wusste, dass man annehmen würde, sie wäre in den Stöckelschuhen mit den lächerlich hohen Absätzen gestolpert, schwer gestürzt und an den Folgen gestorben. Jeder wusste, dass sie nachmittags gern einen Drink nahm. Niemand würde tiefer bohren.
    Man soll den Ärger nicht suchen. Heißt es nicht so?
    Und ich hatte Recht. Niemand bohrte nach. Ihr Tod wurde ohne große Umstände als Unfall zu den Akten gelegt, und der Sheriff verzichtete meiner Familie zuliebe auf eine Autopsie. Warum sollte man sie aufschneiden, wenn der Ablauf der Ereignisse so offensichtlich war? Warum jedermanns Trauer unnötig in die Länge ziehen? Das sind die Freuden des Lebens in einer kleinen Stadt. Und die Freuden des Sterbens natürlich auch.
    Wir haben sie neben meinem Onkel begraben. Alle haben getrauert. Ich natürlich auch. Ich glaube, ich habe mir sogar ein paar Tränen abgedrückt.
    Das wär’s. Eine erledigt.
    Schnellvorlauf, drei Jahre später. Zwei weitere Mädchen sind tot. Macht insgesamt drei.
    Und weitere werden folgen.
    Ich fühl mich schon viel besser.

19
    M egan war speiübel. Und das nicht, weil sie etwas Unverträgliches gegessen hatte, was nicht der Fall war, da sie absolut keinen Appetit hatte und am liebsten nie wieder etwas essen wollte. Es war auch nicht, weil sie zu viel getrunken hatte, was nicht der Fall war, da sie Alkohol nicht einmal riechen mochte und deshalb nie in Versuchung geriet, sich zu betrinken. Und auch nicht, weil sie zu viel gekifft hatte, denn sie hatte nur ein paar Züge genommen, und außerdem wusste jeder, dass Marihuana keine Magenverstimmungen verursachte. Nein, ihr Unbehagen rührte daher, dass sie sich bei der gestrigen Totenwache vor den Augen der halben Schule mit Greg Watt zum Narren gemacht hatte, nur um gleich darauf ebenfalls vor aller Augen von ihm sitzen gelassen zu werden, wobei sie nach wie vor nicht wusste, was sie Falsches gesagt oder getan hatte. Sie hatten sich

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