Nur der Tod sühnt deine Schuld
Machtkampf vom Zaun brechen. Zum Glück kletterte Molly aber vom Bett, holte einen Schlafanzug aus der Kommode und verschwand im Gästebad.
Wenige Minuten später kam sie, nach Zahncreme duftend, in ihrem pinkfarbenen Schlafanzug wieder heraus. Sie ignorierte Haley, schlug das Bett auf und kroch unter die Decke.
Haley ging zu ihr und beugte sich hinunter, um ihrer Nichte einen Gutenachtkuss zu geben, doch Molly drückte das Gesicht ins Kissen und verweigerte den Kuss.
Vielleicht sieht morgen schon alles ganz anders aus, dachte Haley, als sie das Zimmer verließ. Vielleicht erwartete sie zu viel von dem Kind.
Als sie um neun noch einmal nach Molly sah, schlief sie. Haley beobachtete sie eine ganze Weile von der Tür aus.
Was, wenn es morgen noch genauso war? Was, wenn es nie besser wurde? Haley dachte an die Telefonnummern, die Grey ihr gegeben hatte. Sie könnte ihn anrufen. Sie könnte ihm sagen, dass Molly sie hasste, und ihn fragen, was sie tun sollte.
Im nächsten Moment verwarf sie den Gedanken. Morgen hatten sie wieder einen Termin bei Dr.Tredwell. Mit ihm würde sie über Molly reden.
Sie würde ihm sagen, dass sie am meisten fürchtete, dass Molly einen Fels in ihrem Leben brauchte … und sich mit einem unfähigen Drachen begnügen musste.
[home]
10
H aley erwachte langsam, drehte sich im Bett hin und her und glitt langsam aus der Welt der Träume in die Wirklichkeit hinüber. Und für einen kurzen Augenblick, als sie mit geschlossenen Augen dalag, empfand sie tiefes Wohlbehagen.
Vor ihrem Fenster zwitscherten Vögel, und der Duft von Frühlingsblumen drang herein. Die frischen Laken hüllten ihren Körper wohlig ein, und sie glaubte, etwas Schönes geträumt zu haben.
Dann kam die Erinnerung zurück.
Monica war tot, ermordet, an einem wunderschönen Freitag im Frühling.
Haley öffnete die Augen und stieß einen Schrei aus.
Molly saß auf ihrer Bettkante. Das kleine Mädchen schlug schnell die Hand vor den Mund, konnte das Kichern aber nicht mehr unterdrücken.
»Meine Güte, Molly, du hast mich fast zu Tode erschreckt«, rief Haley. Sie warf einen Blick auf die Uhr und stellte bestürzt fest, dass es schon nach zehn war.
Kein Wunder, dass Molly in ihrem Schlafzimmer aufgetaucht war. Wahrscheinlich wollte sie nachsehen, ob ihre Tante Haley doch noch irgendwann aus dem Bett kam.
»Ich hab wohl verschlafen«, sagte Haley, als Molly aufstand. Das kleine Mädchen hatte sich bereits Jeans und ein leuchtend blaues T-Shirt angezogen. Ihre Haare waren ordentlich gekämmt, und sie sah Haley mit einem leicht vorwurfsvollen Blick an.
Das Kind muss halb verhungert sein, dachte Haley, sprang aus dem Bett und lief ins Bad. Molly hatte am Abend zuvor nichts gegessen, und wahrscheinlich war sie es gewohnt, vor zwölf Uhr mittags zu frühstücken.
Morgen stellst du dir aber den Wecker, ermahnte Haley sich. Es spielt keine Rolle, wie du früher gelebt hast; das ist ein neues Leben, und darin gibt es Regeln.
Eilig zog sie sich eine Jogginghose und ein T-Shirt über. Dann ging sie mit Molly in die Küche, wo eine benutzte Müslischale auf dem Tisch stand. Zum Glück ist das Mädchen einigermaßen selbständig, dachte Haley.
Molly glitt auf einen Stuhl, während Haley überlegte, was von den Resten als Frühstück für sie herhalten könnte. Sie hatte keine Lust zu kochen und fand auch keinerlei Fertiggerichte im Kühlschrank und in den Küchenschränken. Sie wusste, dass Monica sich und Molly gesund ernährt hatten, was bedeutete, dass es nur selten Fertiggerichte oder Fast Food gab.
In Las Vegas hatte Haley fast nie einen Supermarkt von innen gesehen. Am Strip wurden überall billige Mahlzeiten angeboten. Für ein Schinkensteak mit Ei zahlte sie nur knapp drei Dollar, und Frühstücksbüfetts gab es für unter zehn Dollar.
Aber du bist nicht mehr in Vegas, rief sie sich in Erinnerung. Es gibt nicht mehr nur dich, um die du dich kümmern musst. Haley spürte Mollys bohrenden Blick im Rücken, als sie den Inhalt des Kühlschranks inspizierte.
Hühnchenkasserolle, das könnte gehen. Immerhin legten Hühner Eier, und Eier gab es normalerweise zum Frühstück. Gut, dass Molly schon gegessen hat, dachte Haley, als sie das Essen aus dem Kühlschrank holte.
Ein Klopfen an der Haustür unterbrach ihr Frühstücksdebakel. Als Haley die Tür öffnete, sah sie Angela auf der Veranda stehen, mit einer Auflaufform und einem Korb beladen.
»Ich dachte, an Mollys erstem Tag zu Hause bereite ich ihr ein kleines
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