Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)
darin verstrickte“, Irina Honig bestrich ihr Brot mit einem Aufstrich aus zerstoßenen schwarzen Oliven. Juliette nippte an ihrem Rosé, den ersten kräftigen Schluck hatte sie schon genommen.
„Drachmann benutzte die Europa-Holding, das heißt die Neuaufteilung der Firmenanteile, um die beiden Kreativen loszuwerden.“
„Es sah aber doch so aus, dass die Amerikaner die Kreativen los werden wollten.“
„Schon, aber für Drachmanns, bzw. Millers und Villepins Ziele war noch wichtiger, dass die beiden von der Bildfläche verschwanden. Sie wollten nicht mit ihnen zusammenarbeiten, sie kamen nicht miteinander aus, das war aber kein Grund, den sie beim Kunden hätten angeben können, sie mussten Di-Star Frankreich klar machen, dass die beiden nicht mehr zur Verfügung stünden, da sie die Smith, Henderson verlassen hätten und wieder nach Paris zurückkehren würden.“
„Warum war das so wichtig für den Kunden.?“ fragte Juliette.
„Der Kunde mochte die beiden, sie hatten gute Arbeit geleistet, mit der besonders Henri Michel zufrieden war. Waren sie weg vom Fenster, waren sie keine Gefahr mehr für die Übernahme des Di-Star Budgets von der neuen Agentur von M iller, V illepin, D rachmann, der MVD Agentur. Aber vor allem wollte Villepin sie los sein, damit er wieder die Kreation übernehmen und nicht nur national, sondern international tätig sein konnte. Nach New York zu fliegen macht mehr Spaß als nach Lyon oder Marseille zu fahren.“
„Es sind oft sehr persönliche Dinge im Geschäftsleben, die Einfluss auf Entscheidungen nehmen“, warf Juliette Lambert ein.
„Richtig. Jeder hat so seine Gründe. So würde Chuck Kaybody nicht sauer sein, wenn Drachmann die Kreativen rausmobbte, denn Kaybody wollte ihre Prozente. Was wollen Sie Mr. Kaybody, die Kreativen oder die Prozente, werden sie argumentiert haben. Die Prozente sind langfristig gesehen die bessere Lösung.“ Als Sie merkten, dass die Kreativen die Prozente nicht hergeben wollten, mussten sie schärfere Geschütze auffahren, deshalb inszenierte Drachmann die Gehaltskürzungskonferenz. Für ihn war es ja unwichtig, ob sein Gehalt gekürzt wurde, er würde ja eh aussteigen.“
„So ein kleines Würstchen war dieser Drachmann also gar nicht“, sagte Juliette Lambert, die dem Toten soviel raffiniertes Handeln gar nicht zugetraut hätte.
„Er war ein kleines Würstchen, weil nichts auf seinem Mist gewachsen ist. Die Idee in all ihren Ausmaßen kam von Harry Miller, er hatte die Ideen, die Ausführung erledigte jedoch Piet Drachmann.“
Es war Zeit, sich dem Hauptgericht zu widmen, der Kellner servierte es fachmännisch von links, heute hatte er keine Zeit für einen kleinen Schwatz, die Terrasse war bis auf den letzten Platz besetzt.
„St. Pierre ist neben Seezunge mein Lieblingsfisch“, kommentierte Irina Honig den Plat de Jour und führte in freudiger Erwartung die Gabel zum Mund.
„Völlig verständlich ist auch im Nachhinein, dass der Vertrag zwischen der Di-Star und der Smith, Henderson in Sophia Antipolis so lange herausgezögert worden war. Die Sophia Antipolis Agentur durfte keinen Vertrag haben, das hätte die Pläne von Miller, Villepin & Drachmann mindestens um ein Jahr verzögert, Verträge laufen meist über ein Jahr.“
„Da wurde doch noch einer gefeuert, der neue Europa-Manager, wie hieß er noch mal?“ fragte Juliette Lambert und nahm einen kräftigen Schluck Rosé aus ihrem Glas.
„Ted Ambers“, sagte Irina Honig, „der schöne, junge Mann.“
„War er zu jung für die Manager der europäischen Agenturen, die doch teilweise schon in Würde ergraut waren, wie du berichtet hattest“, fragte Juliette.
„Ich glaube nicht, die Herren Manager müssen sich heutzutage mehr und mehr daran gewöhnen, einen Chef zu haben, der jünger ist als sie. So viele Frührentner kann sich der Staat auf Dauer nicht leisten.“
„Ja, ja“, sagte Juliette, die zu jedem Thema etwas gelesen hatte, „Erfahrungen kann man heutzutage nachlesen, man muss sie nicht mehr selber machen, wie früher“, sagte sie und wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Ihre Nichte hatte ihr heute morgen eine schöne Mail geschickt. Sie zeigte ein Bild eines alten Chinesen, der mahnend seinen Finger hielt. „Ein junger Mann mag schneller laufen können als der alte, doch der alte Mann kennt den Weg.“
„Sehr weise“, stimmte Juliette bei.
„William war ein großer Fan von chinesischen Sprichwörtern“, sagte Irina und
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