Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)
stieß mit Erinnerung in den Augen auf William an.
Juliette griff das Thema wieder auf: „Was war also deiner Meinung nach der Grund, warum der junge Mann gefeuert wurde?“ „Ich kann nur vermuten“, sagte Irina Honig, „Harry Miller hatte angegeben, dass Ted Ambers den Gedanken der Europa-Holding nicht in dem Ausmaß unterstützt hatte, wie das von ihm erwartet worden war. Vielleicht auch, weil er ein Techtelmechtel mit Anne-Sophie begonnen hatte ...“
„Wie interessant“, unterbrach Juliette, „ein richtiges Techtelmechtel oder nur so einen one-night-stand, wie der ja schon zu unserer Zeit nach Betriebsfesten passierte.“
„Soweit ich das beurteilen kann, hatte Anne-Sophie sich in Ted Ambers verliebt. Ich kenn ihn nur von Fotos, aber er ist ein extrem gut aussehender Mann.“
„Verheiratet?“
„Angeblich lebt er in Scheidung.“
„Alle verheirateten Männer, die ein Techtelmechtel anfangen wollen, leben angeblich in Scheidung?“
„Mit dem Wort ‚alle’ muss man vorsichtig umgehen“, belehrte sie Irina. „Aber du magst in diesem Falle Recht haben. Er und seine Frau leben noch im selben Haus.“
„Und sie, ich meine diese Anne-Sophie, weint ihm hinterher?“
„Ich weiß nicht, ob sie weint oder flucht, aber sie wollte wissen, wo er ist.“
„Ach Gott, ändert sich denn nie was?“ Sie dachte dabei an ihre Nichte, die seit Tagen nur ein Lied spielte und mit rotgeweinten Augen im Chor mit Olivia Newton sang:
„Guess, mine is not the first heart broken,
my eyes are not the first to cry...“
Sie hatte ihr Zimmer verdunkelt, sie aß nichts mehr. All die Trauer für einen jungen Mann, den sie insgesamt nur dreimal gesehen hatte.
Eine gestandene Frau wie Anne-Sophie würde Liebeskummer sicherlich besser wegstecken als ihre junge Nichte.
„Ich vermute, dass Harry Miller mit Blick auf seine Pläne keinen Manager an seiner Seite haben wollte, der zu viel Einblick bekommen würde, wenn er ständig an seiner Seite wäre. Harry musste viele vertrauliche Gespräche führen, die keinen Mithörer duldeten.“
„Sie gehen wirklich über Leichen“, warf Juliette Lambert ein, „man denkt immer, das wäre nur so eine Redewendung.“
„Menschen, die Ziele haben, den sollte man nicht im Weg stehen. Sie sind gefährlich.“
„Alle Rätsel sind gelöst“, sagte Irina Honig mit großen Augen, „nur nicht das Wichtigste, wer hat Piet Drachmann umgebracht.“
„Piet Drachmann ist, vielmehr war, homosexuell, vielleicht war er doch nicht so weit weg von Gut und Böse, wie gesagt wurde. Vielleicht verkehrte er in einem Stricher Milieu hier in Cannes oder gar in Marseille?“ überlegte Juliette Lambert.
„Der Gedanke liegt nahe“, sagte Irina Honig, „Ken sagte, die Polizei hätte in dieser Richtung ausgiebig recherchiert, aber Piet Drachmann war in der Szene nicht bekannt.“
„Er war ja ein geiziger Mensch wie du sagtest, vielleicht hat er, wie dieser verrückte Modemensch aus München, nicht ordentlich bezahlt, der Liebhaber war darüber so verärgert, dass er ihm k.o.Tropfen ins Glas geschüttet und anschließend in den Pool geschubst hat.“
„Möglich, gut möglich“, sagte Irina Honig nachdenklich und nahm sich vor alle Alibis, aller Beteiligten nochmals zu überprüfen. Nicht nur die Alibis überlegte sie, sie musste auch die Vergangenheit des Opfers noch mal unter die Lupe nehmen. Die Recherche führte sie zunächst nach Brüssel.
63.
Irina Honig hielt Piet Drachmanns Lebenslauf in den Händen. Nach einem Anfangsjob in einer großen Agentur in Brüssel, er war von Geburt Belgier, schien er sich auf mittelmäßige Positionen in unbedeutenden Agenturen spezialisiert zu haben.
Dann war er Nach New York gegangen und war, durch welche Verbindungen auch immer, Verwalter einer Hilfsorganisation geworden, später sogar deren Direktor. Wie die Organisation hieß war nicht angegeben. Generell fehlten Zahlen, wo er wann gewesen war und wie lange.
In New York muss er Harry Miller kennengelernt haben. Harry hat ihn in die Werbung zurückgeholt. Und das erstaunlicher Weise für den wichtigsten Kunden der Smith, Henderson, der Di-Star.
Die Di-Star wollte sich in Sophia Antipolis einnisten, um ein Standbein im wissenschaftlichen Zentrum Frankreichs zu haben. Piet Drachmann sollte der Verbindungsmann zwischen Frankreich und New York werden. Irina schüttelte nachdenklich den Kopf, der Mann hatte fast sieben Jahre nicht in seinem Metier gearbeitet und wird
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