Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)
dennoch auf den wichtigsten Kunden der Smith, Henderson angesetzt. Konnten sie keinen finden, der französisch und englisch sprach? Piet Drachmanns Lebenslauf schien einiges verstecken zu wollen. Vielleicht konnten ehemalige Arbeitskollegen etwas Licht ins Dunkel bringen.
Irina Honig hätte Brüssel Stadt für weit größer geschätzt, schließlich war es Hauptsitz der Europäischen Union und der Nato. Die Bauwerke, die den Grand Place umgaben, waren jedoch höchst beeindruckend. Irina Honig war zum ersten Mal in Brüssel, sie sollte wiederkommen, zumal Brüssel für gutes Essen bekannt war.
Die BDO Belgium befand sich ganz in der Nähe des „Grand Place“. Sie musste sich beeilen, vor der Mittagspause in der Agentur zu sein. Die hilfreiche Rezeptionistin der Agentur hatte einen Angestellten ausfindig gemacht, er war Retoucheur, der zur gleichen Zeit in der Agentur gewesen war, in der Piet Drachmann dort als Junior-Kontakter gearbeitet hatte. Das war weit über zehn Jahre her.
Die Rezeptionistin bat Irina Honig im Empfang Platz zu nehmen, Monsieur Blanc würde sie in wenigen Minuten empfangen.
Monsieur Blanc war älter als Piet Drachmann, er hatte einen leicht gekrümmten Rücken und eine große Brille mit dicken Gläsern.
„Piet Drachmann“, sagte er mit leiser Stimme. „Piet Drachmann ist tot.“
„Er wurde ermordet“, sagte Irina Honig.
„Wie schrecklich.“
„Sie kannten ihn“, sagte Irina Honig.
„Das ist viele Jahre her, über zehn Jahre, würde ich sagen.“
„Was für ein Mensch war er?“
„Ach Gott, er war ein Technokrat, ohne jegliche Phantasie. Selbst wenn man kein Kreativer ist, sollte man in einer Agentur ein wenig Verständnis für Kreation haben.“
„Piet Drachmann war schwul, war er das schon damals?“
„Viele vermuteten das, aber er hat es nie zugegeben. Bei Parties tat er so als ob er sich für Frauen interessiert. Aber er kam nicht an.“
„Trank er Whisky?“
„Jede Menge.“
„Wirklich, alle jetzigen Angestellten der Smith. Henderson haben behauptet, er hätte nie getrunken, niemand hätte ihn je mit einem Glas Whisky in der Hand gesehen.“
„Er wird wohl aufgehört haben, das tun einige, wenn sie es zu wild getrieben haben.“
„Die Leberwerte“, sagte Irina und wurde nachdenklich. „Arbeitete er auch am Wochenende?“
„Nein, ich glaube nie. Keiner arbeitete damals am Wochenende, wenn es nicht unbedingt sein musste. Heute sind die Leute ja bis acht Uhr abends da, auch wenn sie gar nichts mehr zu tun haben. Keiner will als erster gehen. Wer als erster geht ist anscheinend unwichtig.“
„In Amerika hängen manche ihr Jackett über den Stuhl, obwohl sie schon gegangen sind“, wusste Irina Honig zu berichten und lachte.
„Hab ich auch schon gehört, dass das manche tun“, bestätigte der Retoucheur und schüttelte missbilligend den Kopf. „Jede Menge Arbeitslose und die, die Arbeit haben, tun so als ob sie für zwei arbeiten.“
„Wieso ist er aus dieser schönen Agentur weggegangen?“
„Er ist weggegangen worden“, verriet der Retoucheur.
„Gab es einen Grund?“
„Er hatte einen neuen Chef bekommen und für den war Piet Drachmann ein Pappenträger. Der Neue wollte mit neuen Besen kehren und da hat er Piet Drachmann hinausgefegt.“ Der Retoucheur lachte krächzend und schüttelte in Erinnerung seinen Kopf.
„Drachmann ist dann nach New York gegangen.“
„Er hat durch Zufall schnell einen neuen Job gefunden, das hat er uns natürlich mit geschwellter Brust erzählt. Aber sein neuer Arbeitgeber war keine Werbeagentur, sondern eine Hilfsorganisation.“
„Hat er Ihnen den Namen der Organisation verraten.“
„Hat er, aber ich erinnere mich nicht mehr. Es war eine Organisation die Geld für Brunnen sammelte. Brunnen für Drittländer, nehme ich an.“
„Haben Sie dann jemals noch etwas von Piet Drachmann gehört? Ich meine wie es ihm in New York ergangen ist?“
„Die Welt ist klein“, sagte der Retoucheur, „ein Kontakter von uns war zu einem internationalen Meeting der BDO in New York und erzählte, als er wieder zurück war, dass er Piet Drachmann auf der Fifth Avenue zufällig getroffen hätte und der hätte ihm seine Karte gegeben. Er war Direktor der Hilfsorganisation geworden. Hätte eine tolle Karriere gemacht und trug teure Anzüge.“
„Sie haben mir sehr weitergeholfen“, sagte Irina Honig und schüttelte mehrfach die Hand von Monsieur Blanc.
„Das war’s schon“, fragte der
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