Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)
verstaut?“
„Die Figuren“, erklärte Maria Perez. „Die Masken hingen an den Wänden im Schlafzimmer. Wenn mein Schlafzimmer so geschmückt wäre, hätte ich Alpträume.“ Maria Perez schüttelte sich wieder ein wenig und steckte eine Klammer ihres kleinen Knotens im Nacken fest.
„Nun aber zu Piet Drachmann, was war er für ein Mann?“ fragte Irina Honig.
Maria Perez nahm einen Schluck aus ihrem Milchkaffee und runzelte nachdenklich die Stirn. „Er war ein verschlossener Mensch, einer aus dem Norden, die nichts über sich erzählen. Die nur sagen, was man zu tun hat. Die nie freundliche Worte haben, die nicht lachen. Er sprach nicht mal über das Wetter, wie das schon andere alleinstehende Männer tun, bei denen ich putze.“ Maria Perez hob die Schultern. „Er war kein glücklicher Mensch“, fügte sie hinzu, „das sah man schon den Möbeln, ich meine der Einrichtung an.“
„Benutzte er seine Küche?“
„Nein“, Maria Perez schüttelte energisch den Kopf, „gekocht hat er nie, Gäste hatte er nie, niemand kam zu Besuch.“
„Da war ja nicht viel aufzuräumen?“
Das Staubsaugen und Feuchtwischen braucht nicht viel Zeit. Aber wie schon gesagt, die afrikanischen Figuren, die kosteten die meiste Zeit, ich habe keine Stunde zu viel aufgeschrieben.“
„Um Gottes willen“, sagte Irina Honig und legte ihre Hand auf Maria Perez Arm, „ich will doch nicht wissen, ob sie ihre Stunden korrekt abgerechnet haben, ich will Piet Drachmann besser kennenlernen und Sie haben mir dabei sehr geholfen.“
„Wirklich“, fragte Maria Perez ein wenig misstrauisch und trank wieder einen Schluck Kaffee, sie ging sehr sorgsam mit der Tasse um.
„Wirklich“, bestätigte Irina Honig und ging zu einem anderen Thema über. „Verreiste Piet Drachmann oft?“
„Er reiste viel nach Amerika, nach New York“, sagte sie und fügte dann kopfschüttelnd hinzu, „aber alles was er mitbrachte, waren gelbe Schreibblocks. Als ob man hier keine Schreibblocks bekommt.“
„Vielleicht keine gelben?“ schlug Irina Honig als Erklärung vor.
Maria Perez schüttelte ihren Kopf, aus Piet Drachmann war sie anscheinend nicht schlau geworden.
„Konnten Sie Einblick in den Safe gewinnen? Schließlich musste er ja die Figurinen aus dem Safe holen, damit sie geputzt werden konnten?“ fragte Irina Honig in sachlichem Ton.
„Am Freitag stellte er die Figuren auf den Tisch im Schlafzimmer. Ich putzte sie und er kam mittags aus dem Büro und verschloss sie wieder. Am Freitag gab er mir auch das Geld für die Woche.“
„Hat er Ihnen mal gesagt, was so eine Figur oder Maske wert war?“
„Nein“, sagte Maria Perez und zuckte wieder mit den Schultern.
„Hat er mal gesagt, woher die Kunst kam?“
„Nein, über solche Dinge sprach er nicht?“
„Gab es irgendwelche Fotos von ihm, die in Afrika aufgenommen worden war?“
„Nein, er hatte keinerlei Fotos von sich oder Freunden oder Verwandten aufgestellt. Sicherlich hat er sie im Computer. Heute sehen sich die Leute ihre Bilder im Computer an.“
Irina Honig nickte und wechselte das Thema: „Wir alle sind neugierig, das ist ganz normal, wir alle schnüffeln ein wenig, wenn wir in einem fremden Haus sind ...“
„Ich nicht“, unterbrach Maria Perez, „bei dem Drachmann gab es nichts zu schnüffeln. Da hätte die Polizei jederzeit kommen können, sie hätte nichts gefunden.“
Vielleicht haben sie sich doch ein paar Gedanken über den Wert der afrikanischen Kunstgegenstände gemacht, dachte Irina Honig.
68.
Die Fensterläden vieler Häuser der Jardins de Mandelieu waren geschlossen, was sie beim abendlichen Besuch des Anwesens zusammen mit Ken Bernstein nicht in dem Ausmaß wahrgenommen hatte. Die Leute kamen meist erst Mitte Juli, Anfang August.
Piet Drachmann war einer der wenigen der Domaine gewesen, die das ganze Jahr über ihr Haus bewohnten. Nicht alle Häuser der Domaine hatten einen Swimmingpool, nur die größeren. Die Häuser der „Jardins de Mandelieu“ waren klassischer gebaut, hatten Säulen vor dem Eingang und einen Pool vor der Terrasse. Piet Drachmanns Haus war das zweite in der Reihe rechts nach dem Eingang. Man musste, um in das Haus zu gelangen, zwei Tore überwinden. Irina Honig studierte das Sicherheitssystem des ersten Tores. Es konnte nur mit einem kleinen Sender geöffnet werden und nicht wie allgemein üblich mit einem Code, den man eingab. Die vermeintliche Sicherheit, die dieser
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