Nur dieses eine Mal
er sie liebte?
Wo war Domènico hingegangen?
Der Mann vor ihr war nicht mehr der Mann, den sie geheiratet oder in den sie sich Hals über Kopf verliebt hatte, als sie das erste Mal sein Büro betrat.
Seine Augen hatten gefunkelt und sein Blick hatte sie erdolcht, als sie ihm mit Arroganz und Überheblichkeit begegnet war. Er hatte sich herausgefordert gefühlt und sie hatte sich erobern lassen.
Ihr Herz raste und ihre Handflächen wurden nass.
„Wer bist du?“, wollte sie wissen.
„Liebling, jetzt wirst du wirklich melodramatisch“, stellte er kopfschüttelnd fest. „Du solltest heimfahren und dich ein bisschen beruhigen. Pack die Koffer, ruf dir ein Taxi und zieh für eine Weile zu deinen Eltern aufs Land. Ich regele hier alles.“
Ein wildes Rauschen in ihrem Kopf betäubte jeden Gedanken und die Welt um sie herum verschwand in zähem Nebel. Sie war wie in Watte gepackt. Keine Geräusche mehr, keine Worte, nichts das den Schmerz verringern konnte, der durch ihren ganzen Körper tobte.
Es zerstörte sie.
Es fraß sie auf.
Sie spürte, wie ihre Haut aufriss, wie Muskeln und Sehnen sich spannten und unsichtbare Zähne sich tief in ihr Fleisch bohrten. Pein und Qual durchfluteten sie.
Guilia presste die Hände gegen die Schläfen und schrie. Sie schrie aus Leibeskräften und sank auf die Knie herunter. Ihr Inneres kehrte sich nach außen und ihre Wunden tauchten hinein in brennendes Salz. Dann wurde die Welt dunkel und sie schluchzte ein letztes Mal auf, als barmherzige Schwärze sie umfing.
Sie wollte sterben. «
Aléjandro saß reglos auf seinem Stuhl und starrte auf den Bildschirm.
„Man, die ist richtig gut“, bemerkte Joe anerkennend. Aléjandro gönnte dem Cutter nur ein flüchtiges Nicken.
Sie hatten die Szenen im Schneideraum zusammenfügen wollen, die er und Cady getrennt voneinander gedreht hatten. Eine davon war die, bei der Domènico versuchte Guilia davon zu überzeugen, er wolle sich wegen einer außerehelichen Liebschaft von ihr trennen. Guilia brach am Ende dieser Szene zusammen und war nicht mehr ansprechbar.
Der Schmerz in Cadys Gesicht war so echt und tief, dass sie eine geradezu begnadete Schauspielerin sein musste, um das nur zu spielen. Er wusste, sie war gut, aber
das
war nicht einfach nur gespielt.
Der Kameramann hatte offensichtlich einen zerstreuten Augenblick gehabt, denn er hatte vergessen die Kamera auszuschalten und die Aufnahmen liefen weiter. Jemand half Cady auf und sie lächelte verhalten, ehe sie sich den nicht vorhandenen Schmutz von dem grauen Hosenanzug klopfte.
Während um sie herum sich alle bereits gedanklich mit der nächsten Szene beschäftigten, wandte sie sich ab und wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht.
Sie weinte.
Er sah ihre zuckenden Schultern und bemerkte, wie sie ein Taschentuch aus dem Bund ihrer Hose zog, um sich heimlich das Gesicht zu trocknen. Trotz seines Ärgers bohrte der Anblick sich in sein Herz und schnürte ihm die Kehle zu.
Die Maskenbildnerin trat zu ihr und legte Cady eine Hand auf die Schulter.
„Bist du okay?“, wollte sie wissen. Cady hob den Kopf und Aléjandro sah das Zittern ihrer Unterlippe und die glänzenden Augen.
„Ja, schon gut. Ich habe mich zu sehr hineingesteigert“, erwiderte sie leise. Die andere Frau schenkte ihr ein trauriges Lächeln.
„Das macht einen guten Schauspieler aus, wenn er seine Rolle lebt. Aber du solltest nicht daran zerbrechen.“
Wortlos nickte Cady und lächelte beruhigend. Als die Maskenbildnerin ging, griff Cady nach ihrer Tasche und verschwand aus dem Bild.
Aléjandro holte tief Luft und stand auf.
„Mach doch einen Moment allein weiter“, bat er und verließ den Schneideraum. Er eilte durch das Studiogebäude, zum Treppenhaus hinüber und nahm jeweils drei Stufen auf einmal, um die obere Etage zu erreichen. Augenblicke später erreichte er die Tür zum Dach, stieß sie auf und trat in den Regen hinaus. Mit geschlossenen Augen wandte er sein Gesicht dem Himmel zu.
Prasselnd schlugen die Tropfen auf seine Haut.
Das Wetter passte zu seiner Stimmung.
Fast zwei Monate war sie schon fort und er fühlte sich immer noch schlecht. Seine Villa war leer und kalt. Keine Hundehaare mehr in irgendwelchen Ecken, keine Katze, die auf der Küchentheke saß. Alles war wieder so perfekt und sauber wie vor Cadys Überfall auf sein Leben.
Und genauso leer.
Sie fehlte ihm.
Er fragte sich ständig, ob er überreagiert hatte. Er hätte ihr die Chance geben sollen sich zu
Weitere Kostenlose Bücher