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Nur ein einziger Kuss, Mylord?

Nur ein einziger Kuss, Mylord?

Titel: Nur ein einziger Kuss, Mylord? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ELIZABETH ROLLS
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Stufen hinunterzusteigen. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder hielt Daventry eine Mätresse in dem Haus – solche Frauen benutzten häufig den Namen ihres Beschützers –, oder er war bereits verheiratet. Alles in allem hielt Julian eine Ehefrau für wahrscheinlicher. Eine Geliebte war nur dann praktisch, wenn sie einem regelmäßig das Bett wärmte. Aber so oder so – Lissys törichter Verblendung wäre im einen wie im anderen Fall ein Ende gesetzt, falls eine Beschreibung dieser Umgebung nicht schon ausreichte.
    Die Gasse war dunkel, und es herrschte eine feuchte, dumpfige Kälte. Der Wind, der an den Ladenschildern rüttelte, wehte ihm Gerüche nach gekochtem Kohl, Fisch und säuerlichen menschlichen Ausdünstungen entgegen. Julian blieb stehen und legte den Kopf in den Nacken. Die Obergeschosse der alten Fachwerkhäuser kragten so weit über, dass kaum Licht oder frische Luft nach unten drang. Weiter vorn bemerkte er ein paar heruntergekommene Tavernen, die den anrüchigen Ruf der Gasse eindeutig bestätigten. Es waren nur wenige Fußgänger unterwegs, aber er bemerkte, dass ihm misstrauische Blicke aus Fenstern und Hofeingängen folgten. Kurz rief er sich die Adresse, die Modbury ihm gegeben hatte, in Erinnerung – ja, das Haus, das unterhalb des nächsten Treppenabschnitts auf der gegenüberliegenden Seite zwischen dem Fischladen und der Apotheke lag, musste es sein.
    Eine einäugige räudige Katze fauchte ihn an, als er sich der angelehnten Eingangstür näherte. Dann suchte sie eilends das Weite.
    Im Haus erhob jemand die Stimme.
    „Nun seien Sie doch vernünftig, Fräuleinchen. Hier hab ich Mr. Daventrys Brief, und da steht ganz klar ‚das Haus samt Inventar‘! Sehen Sie? Samt Inventar. Nicht ‚samt Inventar, falls nicht zufällig jemand anders es beansprucht‘. Also …“
    „Ich gehe doch davon aus, dass Sie meine Person nicht als Teil des Inventars betrachten und vorhaben, mich mitsamt meinen Kleidern und Haarbürsten auf das Auktionspodest zu stellen“, ertönte eine weibliche Stimme. So spröde und belehrend, wie sie klang, hätte jeder normale Mensch es sich vermutlich zweimal überlegt, die Frau, der sie gehörte, gegen sich aufzubringen.
    „Und wenn Sie in der Lage sind, diesen Unterschied zu begreifen“, fuhr die Sprecherin ironisch fort, „werden Sie sicherlich auch einsehen, dass Sie meine persönliche Habe nicht beanspruchen können. Da Mr. Daventry nicht mein Ehemann ist …“, an dieser Stelle wurde der Ton unverkennbar zornig, „… zählt nämlich weder Letztere noch ich zu seinem Eigentum!“
    Verdammt. Nicht die Ehefrau also. Aber vielleicht doch die Mät resse …?
    „Kommen Sie nächste Woche wieder“, sprach die ungehaltene Frau weiter, „dann können Sie das Haus haben. Samt Inventar. Weil ich zu diesem Zeitpunkt ausgezogen bin und meine Besitztümer mitgenommen habe.“
    Julian schob die Haustür ein Stück auf und erblickte einen großen, bullig wirkenden Mann in altmodischen Kniehosen und einem schlichten Gehrock, der ihn als achtbaren Geschäftsinhaber auswies. Obwohl er halb abgewandt stand, war seine Verärgerung an seinem zusammengepressten Kiefer deutlich zu erkennen.
    „Jetzt hören Sie mir mal zu, Fräuleinchen!“, knurrte er, offensichtlich am Ende seiner Geduld. „Kann sein, ich hab da was missverstanden, aber das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, so einen Ton anzuschlagen. Und ich hol die Konstabler, wenn Sie irgendwas außer Ihren Kleidern und Haarbürsten mitnehmen. ‚Samt Inventar‘ heißt es in dem Brief, und ich hab eine genaue Aufstellung von allem. Von allem, jawohl.“ Er fuchtelte mit einem Blatt Papier herum, vermutlich vor dem Gesicht seiner unsichtbaren Gegnerin. „Wenn die kleinste Kleinigkeit fehlt, zeig ich Sie an, merken Sie sich das!“
    Die Sache geht mich nichts an, sagte Julian sich. Sein gesunder Menschenverstand riet ihm dringend, sich aus irgendwelchen Rechtsstreitigkeiten zwischen Daventry und der Frau herauszuhalten. Nur war der Mann nicht Daventry … und was genau hatte er missverstanden?
    „Sie können jetzt gehen, Goodall“, meldete die Frau sich erneut zu Wort. „Und ich würde vorschlagen, Sie klären Ihre Weisungen erst einmal mit meinem Bruder. Im Übrigen wird sich mein Anwalt mit Ihnen in Verbindung setzen.“
    Aha, Daventry war also ihr Bruder.
    Weit davon entfernt, eingeschüchtert zu sein, machte der Mann, den sie mit Goodall angeredet hatte, einen Schritt nach vorn, vermutlich auf sie

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